Montag, 3. Dezember 2012

Wüßtentagebuch 3

Eintrag 1864 3. Buch 5. Jahr
Ruhige Nacht.
Kann seitdem uns Fleisch gestohlen wurde noch weniger schlafen.
War praktisch die ganze Nacht wach.
Die Nacht war kalt wie immer.
Aber langsam werden die Tage wieder länger.
Wo ist das goldene Morgen, dass man uns in meiner Kindheit versprochen hat?
Mehr als sieben Jahre sitze ich nach der Nacht der Blitze unter einem giftgrünen Himmel in einer Wüste die nichts zu bieten hat.
Mein Nachtlager ist gerade mal zwei Quadratmeter groß.
Dass ich es geschafft habe mir so eine Reiseausrüstung zusammen zu bauen ist nicht mein verdienst, sondern die meines Vaters.
Dank ihm habe ich die Bare gebaut.
Dank ihm ist sie ein Nachtlager.
Er war auf alles vorbereitet.
Trotzdem ist er gestorben.
Oh Gott mein Vater.
Die Plane ist von ihm.
Die Schrauben und das Holz auch.
Er hatte eine ganze Sammlung von Schrauben.
Aber er hat immer auf die Plane aufgepasst.
Ich will seine Stimme vergessen, aber sie bleibt in meinem Kopf hängen.
Ich höre ihn nicht, aber ich spüre ihn.
Er ist es der mich antreibt.
Selbst seine toten Augen forderten mich auf.
Der einzige Kamerad den ich habe läuft auf vier Beinen und wird es nicht mehr lange machen.
Ich weiß auch dass ich seine Überreste zu verwerten habe.
Damals in der alten Zeit regte man sich über Leute auf die keinen Satz zustande bringen konnten, aber das neueste technische Spielzeug auf Sichtweite identifizieren konnten.
Der letzte Kontakt ist viel zu lange her.
Um mich herum ist nur Sand und Gewürm.
Ich könnte der letzte Mensch auf diesem von Gott verdammten Planeten sein.
Neben mir hechelt Harald im Schlaf.
Ich weiß was ich mit ihm machen werde wenn er tot ist.
Ich will nicht wach sein.
Ich will schlafen.
Aber mein Kopf lässt mich nicht.
Einfach nur schlafen.
In meinen Träumen steige ich die schräge Treppe herunter.
Es gibt gerade Essen.
Für jeden gibt es das was er am liebsten hat.
Mein Vater genießt seinen Hackbraten.
Mutter verschlingt ihr Eisbein.
Brüderchen und die Schwesterchen liefern sich ein Wettrennen um den Grießbrei.
Die Großeltern kauen prüfend den Kassler und informieren sich dabei über die jeweiligen Rezepte, die doch viel besser sind.
Ich sitze vor meiner Weißkohlpfanne und genieße die Gerüche die eine einmalige vertraute Symphonie ergeben.
Neben mir sitzt das eine besondere Mädchen das ich hab gehen lassen.
Ich lege meinen Arm sacht um ihre Schulter, sie wispert mir einen unserer Witze ins Ohr und wir genießen den Abend.
Und alle singen Lieder und erzählen sich Geschichten.
Von dem Typen der kein Brot bekam auf dem Rummel, von alten Teufelsseen, von Lügenbrücken und vom Schelm im Hafersack.
Dann kommt das Erwachen und das Wissen dass alle nicht mehr da sind.
Werden wir überhaupt verfolgt oder habe ich das Fleisch selber gegessen?
Vielleicht war es doch Harald.
Es wäre nur natürlich.
Wenn es Harald nicht gäbe würde ich wahrscheinlich diesem Buch einen Namen geben und mit ihm intime Gespräche führen.
Ich würde dem Wahnsinn verfallen.
Ich habe überlebt.
Ob ich will oder nicht.
Muss mit Papier und Kohle sparsam sein.
Es muss ein Morgen geben.
Ich habe weiter zu ziehen.

Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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