Montag, 18. Juni 2012

Auf den Linien durch den Nebel


Es gab eine Unwetterwarnung.
Aber die gab es oft genug.
Wenn ich mich auf solche Informationen verlassen hätte, wäre ich gar nicht mehr aus dem Haus gegangen.
Diese routinierte Unwetterwarnung war eher ein Anreiz mehr für mich einfach durch die Natur zu laufen.
Viel zu oft bin ich durch die Felder gelaufen und habe die Blitze bewundert die in der Ferne nieder gingen.
Den Donner um mich herum genoss ich jedes Mal.
Dieses Gefühl Unverwundbar zu sein.
Alleine auf weiter Flur, im Auge des Sturms.
Nur dieses eine Mal wurde ich getroffen.
Es war noch nicht mal aufregend.
Mir standen mit einem Mal die Haare zu Berge und dann fühlte ich einen Schlag auf meinem Hinterkopf.
Am nächsten Morgen erwachte ich nass vom Tau am Rande der Straße.
Hustend und niesend taumelte ich nach hause.
Meine erste Handlung war auf Arbeit anzurufen und mich krank zu melden.
Die Linien auf meiner Haut bemerkte ich erst später.
Schwarz und verzweigt erinnerten sie mich fortan jeden Moment wie mahnende Negative an das was mich getroffen hatte.
Den Rest der Woche lag ich mit einer Erkältung im Bett.
Mein Schlaf in dieser Zeit war unruhig, meine Haut juckte und trotz einer kühlenden Salbe vom Arzt konnte ich nicht still liegend die Nacht verbringen.
Was es mit den Linien genau auf sich hatte merkte ich die Tage danach.
Die Linien juckten und jedes mal wenn ich mich kratzte wurde mir schwindelig und ich spürte einen Druck auf meiner Brust.
Die Ärzte konnten nichts finden, also verschrieben sie mir Anti- Depressiva.
Pillen haben mir nie wirklich geholfen, also verzichtete ich auf den Konsum der verschriebenen Drogen. Das was sich mir durch diese Entscheidung offenbarte war im wahrsten Sinne des Wortes Bewusstseins erweiternd.
Jedes Mal wenn ich aus lauter Verzweiflung auf den Linien rieb und kratzte begann ich in eine andere Welt einzutauchen.
Ein schweres Gewicht legte sich auf meine Brust.
Die Welt verschwamm vor meinen Augen, das Gewicht auf meiner Brust verstärkte sich je länger ich die Linien drückte und presste mich schließlich in eine vernebelte Landschaft umgab, die mit verdorrten Sträuchern bestellt war, die in Pass genauen Abständen aufgestellt waren.
Je nachdem welche und wie viele Linien ich drückte erschlossen sich immer wieder neue Welten für mich.
Viereckige bunte Seifenblasen aus Glas die mit Schwertern aufeinander losgehen. Aus den Scherben wuchsen neue Viereckige Seifenblasen.
Eine graue Wiese auf der Bäume mit Haut und Mündern die Lieder singen. Häuser die auf Hundebeinen Brillen jagen. Grashalme fliegen in Herden durch die Luft.
Manisch begann ich alles was ich entdeckte nieder zu schreiben.
Essen nahm ich immer seltener zu mir. Dafür trank ich nach jeder Exkursion mehrere Liter, da mich die Reisen auf den Linien immer wieder ausdörrten.
Besorgt schauten meine Freunde und Ärzte mir auf die Haut, die immer rauer und brüchiger wurde.
Die Ärzte hatte ich nicht von mir aus hinzugezogen, sondern meine Mutter, der ich dummer Weise von meinen Erlebnissen erzählt hatte.
Niemand glaubte mir.
Neu Erkenntnisse über meinen Zustand oder meine Erlebnisse konnten mir auch die weißen Kittel nicht liefern.
Waren das andere Dimensionen die ich besuchte oder andere Ebenen der Zeit?
Letzteres erschien mir logisch, da beim Eintritt in die jeweilige andere Welt meine heimatliche Umwelt langsamer wurde bis sie sich im Nebel auflöste.
Laut den Schilderungen der sogenannten Medizinern lag ich während meiner Reisen nur starr in meinem Bett.
Alles was mir übrig blieb war alles was ich sah auf zu schreiben.
Ein Steinfeld aus Papier.
Rüssel und Tentakel mit melodischen Walgesängen.
Metallene Wiesen.
Kleine wollene Wesen mit Hüten die auf gelben und Grünen Wellen surfen.
Meine Haut ist zerkratzt und voller Schorf, doch es gibt noch soviel zu entdecken.



Launing
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Montag, 11. Juni 2012

Das Leben nach dem Tod

Über den Tod als solches wird viel geredet.
Das Leben und Empfinden danach ist dagegen ein wahrhaftig totes Thema.
Katze tot?
Kauf dir eine neue.
Freundin tot?
Sie war halt dumm.
Großvater tot?
Er war halt alt.
Die letzte Partie Schach mit ihm hatte ich unterbrochen, weil ich mir etwas im Fernsehen anschauen wollte.
Was genau weiß ich gar nicht mehr.
Es war irgendetwas dämliches, kurzlebiges, etwas ohne Belang.
Zwei Tage später war er tot.
Und er war nicht alt. Er war gerade Ende sechzig.
Das schlechte Gewissen, das ich eine so essentielle Sache für etwas so nichtiges hab fallen lassen quälte mich Tag auf Tag.
Wie eiserne Nadeln brannten sich die Erinnerungen in meinen Kopf wie er mir dieses Spiel beigebracht hatte und wie wir uns seitdem regelmäßig trafen um gegeneinander zu spielen.
Das einzige was ich mir übrig blieb, war mich bei meinem Großvater dafür zu entschuldigen dass ich nicht die letzte Partie Schach mit ihm zu Ende gespielt habe.
Als christlicher Mensch war ich davon überzeugt, dass sein Geist mich weiterhin umgab und begleitete wohin ich auch ging.
Als Physiker wusste ich, dass Energie nicht verging und der Mensch wurde von biochemischer Energie angetrieben.
Wenn ein Mensch starb musste seine Energie irgendwohin gehen und sei es die Glühbirne.
Die Aufgabe die sich mir stellte, war, die Energie meines Großvaters zu kanalisieren.
Ein altes Kleidungsstück von ihm zu besorgen war ein leichtes.
Sein Tagebuch zu bekommen war schon schwieriger.
Am kompliziertesten war es ein Teil seines Körpers zu bekommen.
Es war ein Glück dass sich meine Großmutter nach dem Willen ihres Mannes richtete und ihn nicht verbrennen ließ.
Der Friedhof war nicht gut bewacht.
Die eigentliche Aufgabe war es das Grab und den Sarg zu öffnen, ein Stück des Körpers zu bekommen und dann das Grab wieder so zu hinterlassen, dass niemand Verdacht schöpfte.
Ich entschied mich für den Kopf.
Mit diesem ganzen Aufwand, mit dieser ganzen Genauigkeit gab ich mich mit nichts Geringeren zufrieden.
Die Maschine die mir meinen letzten Wunsch erfüllen sollte, war eine einfache Apparatur, die Materie auflöste und in Energie umwandelte, die dann für eine Projektion genutzt wurde.
An die vorherigen Experimente mit Ratten, Kaninchen und Hunden möchte ich mich nicht wirklich erinnern. Es gibt Bilder da ist man dankbar für das Vergessen.
Die Erscheinung würde knapp fünf Minuten dauern.
Das Verfahren lief sowie ich es mir vorgestellt hatte.
Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend.
Er erschien wie geplant, aber anders als ich mich an ihn erinnerte.
Bleich und ausdruckslos waberte er ohne wirkliche Konturen vor mir in der Luft.
Mit stumpfen Augen starrte er mich an.
Das einzige was er für mich übrig hatte waren vorwurfsvolle Fragen.
Warum hast du mich geholt?
Was soll ich dir erzählen?
Wieso glaubst du, dass ich dir helfen kann?
Starr und bleich ließ ich die ganze Szenerie über mich ergehen bis er schließlich verschwand.
Eine wirkliche Entscheidung kam mir nicht über die Lippen.
Das alles war eine mehr als enttäuschende Erfahrung.
Enttäuscht und verbittert zerstörte ich die Maschine.
Die Aufzeichnungen über mein ganzes Vorhaben verbrannte ich.
Niemand sollte meine Erfahrung wiederholen.
Dafür war sie viel zu niederschmetternd.

Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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Montag, 4. Juni 2012

Planet der Köstlichkeiten


Die Meldungen waren enthusiastisch, was mich skeptisch machte.
Meine erste Vermutung war, dass die Erkundungsmannschaft die falschen Pilze für die Suppe verwendet hatte.
Inoffiziell wurde UP 399 schon als Paradies- Planet bezeichnet.
Aber auch das ach so gelobte Paradies hatte seine eigenen und sehr strengen Regeln.
Das alles in den Berichten seine Richtigkeit hatte und der Wahrheit entsprach durfte ich dann mit eigenen Augen bezeugen.
Das erste was ich nach der Landung sah, war ein Vogel der in der Luft fertig für den Verzehr gebraten wurde.
Umrahmt von Bäumen, die laut den Berichten Früchte trugen die gut gedünsteten Schrimps glichen fiel der nun zu genießende Aves einem Mitglied der Erkundungsmannschaft direkt vor die Füße in das wahrhaftig süße und saftige Gras und wurde darauf auch sofort verspeißt.
Ich hatte mir durch einen falsch zubereiteten Kreisnug auf unserer letzten Expedition den Magen verdorben und musste nun mit dem allseits beliebten Trockenfutter vorlieb nehmen.
Hinzu kam, dass ich durch eine Fehlfunktion der Klimaanlage unseres Schiffes mir einen hartnäckigen Schnupfen eingehandelt hatte.
Da aller guten Dinge drei sind meldete sich auch noch der Widenschorf wieder, eine spezielle Hautkrankheit, mit der ich seit meiner Kindheit zu kämpfen hatte.
Mit anderen Worten: Ich war ein einziges Wrack als ich auf dem Planeten ankam.
Dass ich dort nur von euphorisierten Menschen umgeben war, die ihre beste Zeit des Lebens hatten, erhellte mein Gemüt nicht wirklich.
Nichts ist deprimierender als die Freude anderer Menschen, wenn es einem selber schlecht.
Wahrscheinlich war diese Gemütslage auch der treibende Punkt hinter meinen Schlussfolgerungen.
Es war schlicht zu auffällig , dass auch meine Kameraden, die mit mir den Planeten neu betraten sofort davon begeistert waren.
Sofort naschten sie an den nussigen Rinden der Bäumen, tranken aus den milchigen Flüsse, bissen in die willigen Hasen, die ihnen vor die Nase sprangen.
Mich erfüllte dieses ganze Schauspiel mit nichts anderem als Ekel.
Weder wollte ich von den saftigen Steinen kosten, noch die würzige Erde probieren.
Das einzige was mir übrig blieb, war das gesehene zu dokumentieren, bewerten und zu vergleichen.
Auf einen erstaunlichen Punkt stieß ich beim Vergleichen meiner älteren Aufzeichnungen.
UP 399 stand im starken Kontrast zu UP 257, dem Planeten mit dem Fleisch fressenden Gras.
Hinzu kamen die Aufzeichnungen über UP 540 wo menschenähnliche Lebensformen kontaktiert wurden die sofort verendeten, sobald sie sich von ihrem natürlichem Habitat entfernten.
War das alles Zufall?
Waren diese Planeten vielleicht Konstruktionen?
Hatten wir es hier mit fehlgeschlagenen Projekten zu tun?
War UP 399 zu gut geworden, UP 257 zu feindlich und UP 540 zu genau?
Benutzte jemand die Galaxien als Petrieschale?
War unser eigener Heimatplanet ein solches Projekt?
Wie sah unsere Bewertung aus?
Wer bewertete welches Projekt gut und welches schlecht war?
Während sich mein Gedanken überschlugen, meldete sich meine Ratio zu Wort.
Ich saß alleine, verschnupft, mit Magen und Hautproblemen in unserem Schiff, während sich alle anderen draußen den Bauch voll schlugen und immer fetter wurden.
Die erste Erkundungsmannschaft erfüllte in keinster Weise mehr die körperlichen Anforderungen.
Die Erklärung lag auf der Hand.
In der Luft gab es Pheromone, die jeden der diesen Planeten besuchte dazu anhielt zu bleiben und sich an dem was dieser Planet zu bieten hatte gütlich tat.
Da einzige was mir übrig blieb, war, jeden einzelnen meiner Mannschaft wieder zur Vernunft zu bringen um gemäß Protokoll Bericht zu erstatten.
Meine Fäuste bluteten noch Wochen danach.
Es war als wäre man von einer blagischen Katze gebissen, aber ich habe alle nach Hause gebracht.

Launing
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