Montag, 11. Juni 2012

Das Leben nach dem Tod

Über den Tod als solches wird viel geredet.
Das Leben und Empfinden danach ist dagegen ein wahrhaftig totes Thema.
Katze tot?
Kauf dir eine neue.
Freundin tot?
Sie war halt dumm.
Großvater tot?
Er war halt alt.
Die letzte Partie Schach mit ihm hatte ich unterbrochen, weil ich mir etwas im Fernsehen anschauen wollte.
Was genau weiß ich gar nicht mehr.
Es war irgendetwas dämliches, kurzlebiges, etwas ohne Belang.
Zwei Tage später war er tot.
Und er war nicht alt. Er war gerade Ende sechzig.
Das schlechte Gewissen, das ich eine so essentielle Sache für etwas so nichtiges hab fallen lassen quälte mich Tag auf Tag.
Wie eiserne Nadeln brannten sich die Erinnerungen in meinen Kopf wie er mir dieses Spiel beigebracht hatte und wie wir uns seitdem regelmäßig trafen um gegeneinander zu spielen.
Das einzige was ich mir übrig blieb, war mich bei meinem Großvater dafür zu entschuldigen dass ich nicht die letzte Partie Schach mit ihm zu Ende gespielt habe.
Als christlicher Mensch war ich davon überzeugt, dass sein Geist mich weiterhin umgab und begleitete wohin ich auch ging.
Als Physiker wusste ich, dass Energie nicht verging und der Mensch wurde von biochemischer Energie angetrieben.
Wenn ein Mensch starb musste seine Energie irgendwohin gehen und sei es die Glühbirne.
Die Aufgabe die sich mir stellte, war, die Energie meines Großvaters zu kanalisieren.
Ein altes Kleidungsstück von ihm zu besorgen war ein leichtes.
Sein Tagebuch zu bekommen war schon schwieriger.
Am kompliziertesten war es ein Teil seines Körpers zu bekommen.
Es war ein Glück dass sich meine Großmutter nach dem Willen ihres Mannes richtete und ihn nicht verbrennen ließ.
Der Friedhof war nicht gut bewacht.
Die eigentliche Aufgabe war es das Grab und den Sarg zu öffnen, ein Stück des Körpers zu bekommen und dann das Grab wieder so zu hinterlassen, dass niemand Verdacht schöpfte.
Ich entschied mich für den Kopf.
Mit diesem ganzen Aufwand, mit dieser ganzen Genauigkeit gab ich mich mit nichts Geringeren zufrieden.
Die Maschine die mir meinen letzten Wunsch erfüllen sollte, war eine einfache Apparatur, die Materie auflöste und in Energie umwandelte, die dann für eine Projektion genutzt wurde.
An die vorherigen Experimente mit Ratten, Kaninchen und Hunden möchte ich mich nicht wirklich erinnern. Es gibt Bilder da ist man dankbar für das Vergessen.
Die Erscheinung würde knapp fünf Minuten dauern.
Das Verfahren lief sowie ich es mir vorgestellt hatte.
Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend.
Er erschien wie geplant, aber anders als ich mich an ihn erinnerte.
Bleich und ausdruckslos waberte er ohne wirkliche Konturen vor mir in der Luft.
Mit stumpfen Augen starrte er mich an.
Das einzige was er für mich übrig hatte waren vorwurfsvolle Fragen.
Warum hast du mich geholt?
Was soll ich dir erzählen?
Wieso glaubst du, dass ich dir helfen kann?
Starr und bleich ließ ich die ganze Szenerie über mich ergehen bis er schließlich verschwand.
Eine wirkliche Entscheidung kam mir nicht über die Lippen.
Das alles war eine mehr als enttäuschende Erfahrung.
Enttäuscht und verbittert zerstörte ich die Maschine.
Die Aufzeichnungen über mein ganzes Vorhaben verbrannte ich.
Niemand sollte meine Erfahrung wiederholen.
Dafür war sie viel zu niederschmetternd.

Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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