Fallen ist keine Schande, liegenbleiben schon.
Insgesamt bin ich fünf Wochen im Krankenhaus.
Drei Wochen sationär, zwei Wochen teilstationär.
Wenn meine Symptome schlimmer werden, kann ich mich in einer
Tagesklinik vorstellen, unter der Voraussetzung, dass ich nüchtern bzw.
abstinent bleibe.
Nach der letzten Visite wird in meinem Arztbrief erwähnt,
dass ich bezüglich, meiner Abstinenz selbst überschätzend erscheine.
Die Tage zuvor habe ich jeweils um die 2000 Wörter
geschrieben, teilweise sogar noch mehr.
Es ist als ob mein Hirn auftaut.
Die Wirkung des Antidepressivum ist langsam und
kontinuierlich.
Wie eine wärmende Lampe scheint es die Verkrampfung in
meinem Hirn ab zu schmelzen und die Kapazitäten, die darin schlummern frei zu
legen.
Schreiben hatte für mich immer schon eine besondere Wirkung.
Ich habe einen großen Kopf und da passt eine Menge rein,
aber diese Menge will auch frei sein und zu Papier gebracht werden.
Dass ich kontinuierlich an kreativen Texten arbeiten kann
ohne mich vor irgendeinem imaginären Richtspruch zu fürchten ist eine
unglaubliche Befreiung.
Man könnte auch sagen, dass ich durch diese Befreiung high
werde.
Wenn du dich mit deinen eigenen Welten beschäftigst und die
von dir erschaffenen Figuren aufstellst und gewisse Logikmuster im Text
einfängst hat das etwas wahnhaftes.
Nicht umsonst behaupte ich gerne von mir, dass ich keine
Drogen brauche, sondern stoned by nature bin.
Vollkommen perplex stelle ich fest, dass ich im Fluss bin
und Aufgaben die vor drei Monaten noch unmöglich schienen mit einer
Leichtigkeit zu erledigen sind.
Dass mir das von Ärzten als Selbstüberschätzung ausgelegt
wird, schlägt in die logische Kerbe, die mit „Darf sich nicht über eigene
Erfolge freuen“ beschriftet ist.
Dadurch, dass ich mich nicht auf diese logische Kombination
einlasse, sondern mich lieber auf meine kleinen Erfolge konzentriere, merke ich
dass es mit mir beständig aufwärts geht.
Dazu bilden meine Gedankenblasen immer wieder neue
Ausläufer, die ich problemlos verfolgen kann.
Ich habe auch kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich mich
schick mache und mich um mich selber kümmere.
An Gitarre und Verse ist im Moment noch nicht zu denken,
aber alles braucht seine Zeit.
Immer wieder schleicht sich ein schlechtes Gewissen wegen
Kleinigkeiten im Hinterkopf an, aber ich schaffe es immer wieder es
abzuschütteln, wenn das bedeutet, dass ich dadurch vielleicht einen Tick
entwickle, dann nehme ich das in Kauf. So merke ich zum Beispiel, dass ich mich
verstärkt räuspere, wenn ich unliebsame Gedanken an die Vergangenheit
niederkämpfe.
Noch bevor ich mich um die erneute Krankschreibung für meine
Arbeit kümmere oder andere ärztliche Versorgungen organisiere, schreibe ich
eine Bewerbung für meinen Arbeitgeber, damit ich auf eine andere Stelle
versetzt werde.
Man kann an seinem Handeln erkennen, was einem wichtig ist.
So habe ich bei mir im Flur ein Küchenbuffet, dass ich genüsslich
langsam gestalte, während ich im Wohnzimmer die Texte in die Tasten haue.
Genauso wie ein Stein eine Skulptur in sich trägt die frei
gesetzt werden will, will ein Möbelstück auf eine ganz bestimmte Weise
dekoriert werden.
Was meine Abstinenz angeht, so weigere ich mich schlicht
groß irgendetwas zu schwören, da meine Erfahrung mit allerlei Menschen immer
wieder gezeigt hat, dass jene die am schnellsten schwören, am schnellsten ihre
Fehler wiederholen.
So spüre ich zum Beispiel endlich wieder seit langer Zeit
Zuversicht.
Der Satz „Ich werde das schaffen“ macht sich wohlig warm in
meinem Kopf breit und das liegt an den Medikamenten.
Ich darf nicht vergessen, dass dieser Zustand an den
Medikamenten liegt, denn sonst interpretiere ich diese neue Zuversicht neu und
komme möglicherweise auf die dumme Idee sie abzusetzen und reiße mir alles
wieder ein.
Der Weg nach vorn sollte immer mit den Erfahrungen geplant
werden, die hinter einem liegen.
Ansonsten halte ich mich an einen Spruch den ich mir aus
einem Comic von Ralf König abgewandelt habe „Heute geht es mir besser als
gestern, gestern ging es mir besser als vorgestern, dass heißt für morgen und
übermorgen sieht es doch gar nicht mal so schlecht aus.“.