Die klügsten Fische treibt der Hunger an die Angel.
Johann Wolfgang von Goethe
Insgesamt verbringe ich drei Wochen stationär im Krankenhaus. Eine normale Entgiftung dauert maximal 7 bis 10 Tage. Meine Entgiftung ist nach einem Tag abgeschlossen.
Um
das eigentliche Problem anzugehen verstecke ich mich hinter meiner
Mutter, die mit einen gepfefferten Brief durchsetzt, dass ich länger
bleibe.
Nach
etwas mehr als zwei Wochen kann ich erst wieder mit fremden Menschen
reden und das auch erst, nachdem meine Medikation herauf gestuft
wurde, um eine antidepressive Wirkung zu erwirken.
Nach
knapp dreieinhalb Wochen kann ich endlich wieder damit anfangen ein
Buch zu lesen.
Es
ist das zweite in diesem Jahr.
Dazu
muss man wissen, dass ich seitdem ich lesen kann, alles lese was mir
unter die Nase kommt.
Ich
bin das was man einen Faktenfresser nennt.
Und
je abstruser die Fakten oder die Geschichten, desto besser.
Nicht
zu lesen oder gar zu schreiben zu können ist für mich eine Qual,
erst recht, da ich über einen recht beweglichen Kopf verfüge in dem
sich allerlei Gestalten tummeln.
Um
diesen Notstand abzuschwächen lulle ich mich mit Hörbüchern in den
Schlaf.
Es
ist ein minimaler Ersatz für das, was mein Hirn eigentlich will,
aber es hilft.
Auf
der Beratungsstelle für Suchterkrankungen werde ich nach vier Wochen
gefragt, ob ich zwischen mir und den anderen irgendwelche Parallelen
erkennen kann.
Nein,
kann ich nicht. Ich fühle mich wie auf Arbeit und habe immer wieder
den Eindruck, als ob ich es mit den Eltern meiner Klienten oder mit
meinen Klienten plus 20 bis 30 Jahre zu tun habe.
Ich
erkenne jedoch, dass ein Politox- Patient von anderen Patienten
geschnitten, ignoriert, zurecht gewiesen und hinter seinem Rücken
gelästert wird.
Mit
anderen Worten, er wird gemobbt.
Irgendwann
entlässt sich der gemobbte Politox- Patient von selbst und der
andere Politox- Patient, der ihn immer wortreich für seinen
Wortreichtum kritisiert hat, teilt seine Erleichterung über diese
Entwicklung wortreich mit.
Als
ich im betreuten Jugendwohnen gearbeitet habe, fiel mir auf, dass
sich all die Jugendlichen schon untereinander aus anderen
Kriseneinrichtungen kannten.
So
ähnlich ist es auch hier.
Die
anderen Patienten tauschen sich gegenseitig Geschichten ihrer vielen
Aufenthalte aus und trinken bis zum abendlichen Skatspiel Kaffee und
wundern sich dann darüber, dass sie nicht einschlafen können.
Ich
sitze versnobt in meiner Ecke und tue mich an meiner Melone gütlich.
Ich
habe keine Lust mich mit den anderen unnötig zu unterhalten und ich
habe auch keine Ahnung worüber.
Das
ist keine Arroganz, jeder hat hier seine Macke und jeder hier wurde
vom Leben gefickt.
Und
ganz so drüber stehe ich auch nicht, schließlich habe ich auch
versucht mir meine Depression schön zu saufen.
Auf
einer Veranstaltung fällt der passende Satz: „Nur weil ich ein
Spritti bin, bin ich kein schlechter Mensch.“
Man
könnte auch sagen: Nur weil ich eine Macke habe, bin ich nicht blöd.
Am
Ende meiner drei stationären Wochen sind insgesamt fünf Patienten
wieder eingewiesen worden, die nach der Entgiftung entlassen wurden.
Eine
Patientin macht das genau drei mal in drei Wochen durch.
Für
mich und meine Krankheit ist das eine kleine Bestätigung, dass wenn
man sich in Drogen flüchtet, nochmal vielleicht etwas anderes
dahinter steckt.
Was
genau das bei jedem einzelnen ist, ermaß ich mir nicht an zu
vermuten.
Unter
anderem weil ich hier nicht auf Arbeit bin und ich mich hier um mich
selber zu kümmern habe.
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