Montag, 24. Dezember 2012

Stück für Stück

Mein Vater nahm mich irgendwann zur Seite und meinte, dass er froh sei, dass das alte Sprichwort „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“, bei mir nicht zutraf.
Mir war klar, dass er damit meinte, dass ich die Prüfungen die mir das Schicksal mit meinem Körper auferlegt hatte stoisch und geduldig über mich ergehen ließ.
Ich war schon immer ein schwächliches Kind gewesen.
Meine fragile körperliche Kondition und fehlende physische Widerstandsfähigkeit war schon im Mutterleib abzusehen, trotzdem entschieden sich meine Eltern dazu mir das Leben zu schenken, da sie der Meinung waren, dass jeder eine Chance verdient hatte, egal wie schlecht seine Startvoraussetzungen waren.
Alle möglichen Leiden, die man haben konnte hatte ich.
Selbst mit Gebrechen, die als längst ausgemerzt galten, wie Asthma, Stoffwechselerkrankungen Neurodermithis oder Klumpfüßen hatte ich mich herum zuschlagen.
Ich war der einzige in meinem Umfeld, der eine Sehhilfe, ein Hörgerät und eine Zahnspange trug
So war ich von Anfang an ein Außenseiter und fühlte mich von der Welt weder angenommen noch verstanden.
Meine Sehkraft wurde mit den Jahren immer schlechter
So war es nur eine Frage der Zeit bis meine Augen ersetzt werden musste.
Als ich sechs Jahre alt war, war es dann soweit.
Da ich auf genetische Therapien allergisch reagierte, wurden meine Augen mit mechanischen Repliken ersetzt.
Der Tag an dem ich mit meinen neuen Augen das Krankenhaus verließ war eine Offenbarung für mich.
Weg war der Rahmen, der beständig mein Sichtfeld begrenzte und mit meinen neuen Augen konnte ich auch die entferntesten Punkte sehen und heran zoomen.
Leute die mir seit langem vertraut waren erkannten mich zuerst ohne Brille gar nicht.
Mit zehn Jahren machte sich bei mir der Knochenschwund mehr und mehr bemerkbar.
Damit begann eine lange Prozedur, die Jahre dauern sollte.
Nach reiflichen Überlegungen entschieden sich die Ärzte dafür zuerst meinen rechten Arm auszutauschen, da ich Rechtshänder war und es wichtig für mich war mit den neuen Körperteilen umzugehen.
Äußerlich unterschied sich mein neuer Arm nicht von dem alten.
Nur hatte ich anfangs Probleme ihn zu steuern. Konnte ich vorher die verschiedenen Oberflächen mit meinen Fingern spüren, meldeten mir die Sensoren meines neuen Körperteils einfach nur kalt und sachlich ob es sich um Holz, Stoff oder Glas handelte.
Nach der Test Phase war klar, dass ich den Austausch meiner Extremisten ohne weitere Probleme an nahm und der Schritt Weise Austausch meines gesamten Körpers konnte beginnen.
Einmal alle drei Monate begab ich mich in das Krankenhaus um einen Austausch vorzunehmen.
Die Arme und Beine waren hier der leichteste Teil.
Kompliziert wurde es meinen Ober- und Unterkörper korrekt zu ersetzen ohne meinen Kopf zu schädigen.
Für diesen abschließenden Eingriff musste ich ganze vier Monate am Stück ins Krankenhaus wo mir dann Woche um Woche der Körper umgebaut, ergänzt und verbessert wurde.
Als das ganze Verfahren dann endlich vorbei war, kam ich als komplett neues Wesen nach Hause.
Mein Körper war der eines erwachsenen, mein Kopf war immer noch der eines Kindes.
Die Zahnspange hatte ich immer noch, genauso wie das Hörgerät.
Mit dieser Erscheinung stach ich weiter heraus und erregte entweder Mitleid oder Verwunderung.
Das ist vorsichtig ausgedrückt und ich weiß nicht was mir lieber ist.
Damit ich mich nicht zu allein fühlte, meldeten mich meine Eltern bei einer Selbsthilfegruppe für Leute an die unter dem Austausch ihrer Körperteile litten.
Mir war nicht klar was ich da sollte. ich litt nicht unter meinem Zustand. Ich war immer anders gewesen auf die eine oder andere Art.
Damit sich meine Eltern keine Sorgen machten ging ich trotzdem hin und wurde mit dem Selbstmitleid der Leute dort konfrontiert.
Es war unglaublich langweilig und schrecklich frustrierend.
Körperliche Bedürfnisse wurden mir fremd.
Ich wurde befreit von den andauernden Schmerzen und Gebrechen die mir auferlegt waren.
Für ein paar Jahre wurde mir die Möglichkeit geschenkt selbstständig und fast ohne Beschwerden die Welt zu genießen.
Ich brauchte keine Gehilfen mehr. niemand musste mir aus dem Bett helfen. keine Tabletten mehr. ich musste nur meinen Kopf Eincremen und nicht mehr meinen ganzen Körper.
Ich konnte meinen Eltern im Haushalt helfen.
Je länger ich diese neue Selbständigkeit genießen durfte desto kleiner wurde die Belastung durch Zahnspange und Hörgerät.
Dann setzte die Demenz bei mir ein.
Ich merkte wie ich die einfachsten Sachen vergaß und zunehmend aggressiver wurde über diesen Umstand.
Diese Entwicklung brachte mich dann zum allerletzten Schritt der mich zu dem machte was ich heute bin.
Mein Kopf mit allem drum und dran wurde ausgetauscht.
zum Glück hatte ich seit ich schreiben konnte Tagebuch geführt und meine Eltern hatten genauso wie ich alles mögliche fotografiert und die Bilder beschriftet.
so konnten die Erinnerungen die ich noch hatte ergänzt oder gerettet werden.
Der Eingriff verlief für mich ohne Probleme.
Ich schlief ein und wachte wieder auf.
Mein Gesicht war anders als vorher. glatter, sauberer. aber das kümmerte mich nicht.
Ich wusste das ich anders geworden bin und ich wusste auch was sich verändert hatte.
Aber auch das kümmerte mich nicht. ich stellte es einfach nur fest.
Ein Nebeneffekt, den ich nicht bedacht hatte, war, dass ich nun äußerlich nicht mehr alterte.
Das meine Gedanken aus verschiedenen strömen von Daten bestehen, die sich untereinander abstimmen und regelmäßig erneuert werden müssen war mir klar und ich nahm auch zur Kenntnis, dass ich mich vorher darüber gewundert hätte.
Es gibt ein Treffen für Leute wie mich wo wir teilnehmen müssen.
Wir nehmen uns zur Kenntnis, antworten auf die Fragen des Supervisors und gehen wieder auseinander.


Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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