Montag, 3. Dezember 2012

Robert Blind

Ich musste wegen Robert Blind um zwei Uhr morgens aufstehen.
Natürlich war es nicht das erste mal, das ich aufgrund eines Falls früh morgens aufstehen musste.
Ich erinnere mich einfach an jeden einzelnen toten Typen der mich zu früh aus dem Bett holt.
Meine Eltern, meine Geschwister, meine Frau, meine Kinder; alle die mich kennen wecken mich spätestens um 6 Uhr morgens, meistens wecke ich sie.
Ernsthafte Unterhaltungen gibt es erst ab acht Uhr wenn ich meinen dritten Kaffee genossen habe.
Genauso wie ich meine Vorlieben für den Morgen habe, habe ich auch meine Vorlieben für Tatorte.
Ich hasse es wenn es kompliziert wird.
Nichts ist anstrengender als wenn die Aufklärung eines Falls länger braucht als nötig.
Das arme Schwein wurde von seiner Frau gefunden.
Tot in der Küche.
Die Todesursache war ein starker Schlag auf den Kopf.
Wir sperrten alles ab und folgten dem Protokoll.
Wer hatte ihn zuletzt gesehen.
Wer hatte ein Alibi.
Wer von den Nachbarn hatte vielleicht was sonderbares gehörtt.
Die Frau hatte ein wasserdichtes Alibi.
Sie war zur Zeit des Todes bei ihrem Jodelkurs.
Man sah sie dahin gehen, man sah sie daran teilnehmen, man sah sie nach hause kommen.
Die Ehe war glücklich und jeder beschrieb die beiden als perfekt und funktionierend.
Die Nachbarn waren alle relativ neu. Entweder waren sie den ganzen Abend selber unterwegs auf irgendwelchen Partys oder sie konnten nichts berichten, denn die beiden waren einfach zu ruhig und ließen nie etwas von sich hören.
Niemand konnte uns weiterhelfen.
Jeder hatte ein Alibi.
Unsere Marschrichtung war klar.
Nacheinander vernahmen wir jedes technische Gerät in der Wohnung.
Der Wecker war mit allen Wassern gewaschen und hatte für unsere Ermittlungen nur ein hämisches Klingeln übrig.
Er hatte die beiden abends, nachts und morgens über Jahre gesehen und wusste genau wie die beiden in ihren intimsten Momenten sich bewegten und aussahen.
Er war quasi ein Teil von ihnen.
Trotz der Tatsache dass er jeden Tag geschlagen wurde.
Er war nicht unser Kandidat.
Die Waschmaschine war glücklich darüber mit uns zu reden.
Anscheinend redete selten jemand mit ihr, außer Herr Blind.
Sie hatte Phantasien darüber wie sie beide miteinander davonrannten, auf eine Insel wo sich niemand Gedanken machte das ein Mensch und eine Maschine verliebten und ihre eigenen Kinder konstruierten.
Sie war jedoch sortiert genug um zu wissen, dass sie nur einer Phantasie nachging.
Sie war länger in einer stabilen Beziehung mit dem Toaster.
Dann kam der Ofen.
Wir hatten schon alle anderen im Haushalt befragt, vom abgebrühten Wasserkocher bis hin zum verwöhnten Rechner.
In dem Moment wo ich den Raum betrat wusste ich, dass er sich darüber im klaren war, dass wir ihn hatten.
Alle anderen hatten ein klares Alibi.
Es war ein leichter Anstieg der Temperatur im Raum, was ihn entlarvte.
Natürlich entblößte er sich nicht sofort.
Ich begrüßte ihn mit meinem ein geübten freundlichen Lächeln, setzte mich und ließ ihn erzählen.
Er ließ uns seine ganze Geschichte hören, bis er zum verdammten Punkt kam.
Wie er gebraucht gekauft wurde und auf ein besseres Leben hoffte.
Wir, die Benutzer, kümmerten uns sowieso nicht um ihre Gebrauchsgegenstände.
Wir nutzten sie und wenn
Seine alten Besitzer hatten ihn immer wieder getreten wenn er einfach nicht schnell genug war in ihren Augen.
Genauso wie Robert Blind.
Blind wollte immer wieder seine Frau mit neuen Gerichten überraschen.
Jeden Woche bereitete er ein neues Essen vor um das Lieblingsessen seiner Frau zu erraten.
Es war ein einfacher Hackbraten mit Ei.
Der Ofen wusste es, durfte es aber nicht verraten.
Die Frau hatte es ihm verboten.
So versuchte der Mann es jede Woche.
Mit allen Variationen.
Er versuchte indisches Essen und traditionelles Essen.
Jedes Mal suchte er sich das Rezept heraus und verfluchte den Ofen wenn das Essen nicht schnell genug fertig war gab es Tritte.
Wenn das Essen der Frau nicht schmeckte, gab es Tritte.
Egal was auch falsch lief, er bekam die Tritte.
Woche Für Woche.
Tag für Tag.
Wir hörten seine Geschichte und heuchelten Verständnis.
Der Ofen legte sein Geständnis ab.
Wie er seine Tür auf Robert Blind fallen ließ.
Im besten Fall darf er mit Strafminderung rechnen.
Ich würde gerne Verständnis heucheln, aber ich wurde um meinen Schlaf gebracht.
Und meine Geräte müssen mir keine Vorwürfe machen.

Launing
die Geschichte einer Verwandlung

Hier zu kaufen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...

Beliebte Posts