Dienstag, 1. Dezember 2015

Die Sache mit dem Dschenda I


„Sag mal Papa, was ist eigentlich Dschenda?“
Es gab Quarkkäulchen zum Frühstück. Meine Mutter hatte an diesem Tag Spätdienst und wie es so ihre Art war, die Gelegenheit genutzt um meinem Vater, der seines Zeichens ein ausgewiesener Langschläfer war, sein ansonsten angestammtes Revier streitig zu machen und unseren morgendlichen Start in den Tag mit einem frisch gebratenem Extra zu verfeinern.
Nicht umsonst war sie es auch, die Gebetsmühlenartig immer wiederholte, dass man seine Mahlzeiten nach der Devise „Kaiser – König – Bettelmann“ planen sollte und folgedessen das Kantinenessen in jeder Schule unter aller Sau war, ist und so bleiben würde.

Mein Vater nahm diese kleine Revolution am Morgen wohlwollend hin, war es doch nicht das erste Mal, dass unsere Mutter uns mit einer jener kleinen Köstlichkeiten verwöhnte, die sie selber als Kind so gerne genoss. Wäre es nach ihr gegangen, so hätten wir uns nur von solchen Herrlichkeiten ernährt, gemischt mit Nudeln und Tomatensoße.
Es war unser Vater, der darauf bestand, dass wir auch mal Fleisch auf den Tisch bekamen oder ein anderes Gemüse außer Kartoffeln und Tomate. Durch ihn lernten wir auch andere Sorten von Milchprodukten als „Halt so ein Schnittkäse“ kennen.
Abgebrüht und geprüft schaute mir nun ebenjener über seine zweite Tasse mit dem braunen Gesöff entgegen, welches über dieselben Eigenschaften verfügte und nach meiner persönlichen Meinung vollkommen grässlich roch und schmeckte, ganz egal wie viel Zucker oder Milch man da rein kippte.
Da es seine zweite Tasse war, durfte man ihn nun ansprechen, davor war er übellauniger als mein kleiner Bruder.
Auf der Tasse prangte ein blau – gelb – rotes Symbol, von dem er immer wieder behauptete, dass es für Hoffnung stand. Ich dagegen war der Meinung, dass es Sich um zwei Fische handelte, die auf einander zu oder aneinander vorbei schwammen.
Wenn wir uns beide in unserem Schalk darüber stritten, warf meine große Schwester gerne ein, dass wir uns doch nicht über so einen blöden Buchstaben streiten sollten.
„Wo hast du denn den Begriff gehört?“ fragte mein Vater mit hochgezogenen Augenbrauen.
Vollkommen verblüfft fragte ich mich innerlich woher mein Vater denn nur wissen konnte, dass ich diesen Begriff gehört und nicht etwa gelesen hatte.
Dass ich den Begriff dann wahrscheinlich Gender, mit harten G, ausgesprochen hätte, kam mir gar nicht in den Sinn. Für mich handelte es sich hier um einen klaren Fall des omnipräsenten väterlichen Allwissens.
„Na von Onkel Maxe, als der sich mit der Tante Tanja unterhalten hat, als die mich vom Training abgeholt haben.“
„Der steht im Stall und du daneben!“ plärrte mein kleiner Bruder enthusiastisch dazwischen, während er gleichzeitig versuchte ein mit Nutella bestrichenes Quarkkäulchen zu verspeisen.
„Der geht weg und du bleibst…“
„Danke reicht!“ unterbrach ihn meine ältere Schwester, die nach unserem Vater schlug was ihre Morgenstimmung anging, aber noch keinen Kaffee trank.
„Na dann kannst du ja Onkel Maxe fragen, wenn du ihn das nächste Mal siehst.“

Onkel Maxe war der Bruder meines Vaters und holte mich vom Training ab, wenn meine Eltern oder meine Schwester keine Zeit dafür hatten. 

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