Ich war natürlich der Meinung, dass ich das schon längst
alleine konnte, schließlich konnte ich doch auch schon alleine zur Schule und
wieder zurück gehen, aber meine Eltern brachten immer wieder die Tatsache ins
Spiel, dass meine Schule nur zwei Straßen entfernt war, mein Training jedoch
zwei Bahn – Stationen und ich noch ein Jahr zu warten hätte. Dies diente mehr
zur Erläuterung mir gegenüber und nicht als Diskussionsgrundlage, hatte ich
doch immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass meine Eltern nicht mit uns
Kindern diskutierten. Niederlagen auf diesem Gebiet erlitt auch immer wieder
meine Schwester, wenn sie sich darüber beschwerte, dass sie mich abholen
musste, obwohl ich doch schon groß genug sei, worauf sie mit einer
beeindruckenden Gleichmütigkeit darauf hingewiesen wurde, dass es genauso lief,
als sie noch in meinem Alter war.
Überhaupt sollten wir beide doch dankbar darüber sein, dass
der Arbeitsweg von Onkel Maxe an meinem Training vorbei führte und er für mich
seine Zeit opferte, wodurch meine Schwester auch noch zusätzlich freie Zeit
bekam.
So musste ich noch zwei Wochen warten, bis ich die Frage an
meinen Onkel wiederholen konnte, was für mich eine Aufgabe für sich war, da ich
es gewohnt war, meine Fragen von meinem Vater am Frühstückstisch beantwortet zu
kriegen.
Onkel Maxe war zwei Jahre jünger als mein Vater, hatte einen
längeren Bart, dafür schmalere Schulter und schien über einen Kleiderschrank zu
verfügen, der nur schwarze Kleidung beherbergt.
Als ich mal meinen Vater fragte, was denn Onkel Maxe macht,
antwortete mein Vater, er mache was mit Menschen, worauf ich glaubte, dass
Onkel Maxe an der Kasse eines Supermarkts arbeitete, da man ja dort sicherlich
am häufigsten allerlei Menschen begegnete.
„Nein,“ meinte darauf mein Vater, „der studiert die.“
„Aha“ meinte ich darauf, “also sowas wie ein Arzt.“
„Naja,“ meinte darauf mein Vater „nicht ganz, der beobachtet
die nur und schneidet die nicht auf.“
Jahre darauf habe ich mir also meinen Onkel Maxe
vorgestellt, wie er auf einem Hochsitz mit einem Fernglas die Menschen
beobachtete und sich dabei aus Langeweile ein paar Wildschweine für das
Abendbrot schoss.
„Sag mal Onkel Maxe! Was ist eigentlich Dschända?“
Ich vergas sogar die Begrüßung, so stolz war ich darauf,
dass ich mir die Frage mit diesem komischen Wort solange gemerkt hatte.
„Dir auch ein fröhliches Hallo,“ begegnete mir mein Onkel
mit einer verwunderten Falte auf der Stirn, mit der er meinem Vater umso
ähnlicher wurde „Wie kommst du denn jetzt auf den Mist?“
Achteten meine Eltern meistens darauf Kraftausdrücke jeder
Art in der Anwesenheit von uns Kindern zu vermeiden, so wurde der Bruder meines
Vaters von eben jenem über Jahre hinweg darauf trainiert seine farbigen
Metaphern für alles und jeden möglichen doch bitte in der Nähe von
Minderjährigen doch bitte auf das nötigste zu reduzieren und dabei war es doch
auch herzlich egal, wie ihr Vater mit ihnen gesprochen hatte als sie noch klein
waren.
Doch alleine schon die kleinen Bruchstücke an den sonst
verbotenen Schimpfwörtern reichten aus um von mir gierig aufgesogen zu werden.
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