Dienstag, 8. Dezember 2015

Die Sache mit dem Dschenda II

Ich war natürlich der Meinung, dass ich das schon längst alleine konnte, schließlich konnte ich doch auch schon alleine zur Schule und wieder zurück gehen, aber meine Eltern brachten immer wieder die Tatsache ins Spiel, dass meine Schule nur zwei Straßen entfernt war, mein Training jedoch zwei Bahn – Stationen und ich noch ein Jahr zu warten hätte. Dies diente mehr zur Erläuterung mir gegenüber und nicht als Diskussionsgrundlage, hatte ich doch immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass meine Eltern nicht mit uns Kindern diskutierten. Niederlagen auf diesem Gebiet erlitt auch immer wieder meine Schwester, wenn sie sich darüber beschwerte, dass sie mich abholen musste, obwohl ich doch schon groß genug sei, worauf sie mit einer beeindruckenden Gleichmütigkeit darauf hingewiesen wurde, dass es genauso lief, als sie noch in meinem Alter war.
Überhaupt sollten wir beide doch dankbar darüber sein, dass der Arbeitsweg von Onkel Maxe an meinem Training vorbei führte und er für mich seine Zeit opferte, wodurch meine Schwester auch noch zusätzlich freie Zeit bekam.
So musste ich noch zwei Wochen warten, bis ich die Frage an meinen Onkel wiederholen konnte, was für mich eine Aufgabe für sich war, da ich es gewohnt war, meine Fragen von meinem Vater am Frühstückstisch beantwortet zu kriegen.
Onkel Maxe war zwei Jahre jünger als mein Vater, hatte einen längeren Bart, dafür schmalere Schulter und schien über einen Kleiderschrank zu verfügen, der nur schwarze Kleidung beherbergt.
Als ich mal meinen Vater fragte, was denn Onkel Maxe macht, antwortete mein Vater, er mache was mit Menschen, worauf ich glaubte, dass Onkel Maxe an der Kasse eines Supermarkts arbeitete, da man ja dort sicherlich am häufigsten allerlei Menschen begegnete.
„Nein,“ meinte darauf mein Vater, „der studiert die.“
„Aha“ meinte ich darauf, “also sowas wie ein Arzt.“
„Naja,“ meinte darauf mein Vater „nicht ganz, der beobachtet die nur und schneidet die nicht auf.“
Jahre darauf habe ich mir also meinen Onkel Maxe vorgestellt, wie er auf einem Hochsitz mit einem Fernglas die Menschen beobachtete und sich dabei aus Langeweile ein paar Wildschweine für das Abendbrot schoss.
„Sag mal Onkel Maxe! Was ist eigentlich Dschända?“
Ich vergas sogar die Begrüßung, so stolz war ich darauf, dass ich mir die Frage mit diesem komischen Wort solange gemerkt hatte.
„Dir auch ein fröhliches Hallo,“ begegnete mir mein Onkel mit einer verwunderten Falte auf der Stirn, mit der er meinem Vater umso ähnlicher wurde „Wie kommst du denn jetzt auf den Mist?“
Achteten meine Eltern meistens darauf Kraftausdrücke jeder Art in der Anwesenheit von uns Kindern zu vermeiden, so wurde der Bruder meines Vaters von eben jenem über Jahre hinweg darauf trainiert seine farbigen Metaphern für alles und jeden möglichen doch bitte in der Nähe von Minderjährigen doch bitte auf das nötigste zu reduzieren und dabei war es doch auch herzlich egal, wie ihr Vater mit ihnen gesprochen hatte als sie noch klein waren.

Doch alleine schon die kleinen Bruchstücke an den sonst verbotenen Schimpfwörtern reichten aus um von mir gierig aufgesogen zu werden.

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