Nichts war anstrengender
als eine Nacht ohne richtigen Schlaf. Egal wie es ihr ging, egal welche
Krankheit sie auch hatte, wenn sie sich hinlegte und schlief, dann tankte sie
wieder Kraft und Energie.
Diese Nacht war eher ein
dahindämmern gewesen, wobei sie sich immer wieder herum wälzte doch jede
Position die sie zum schlafen probierte war unbequem. Es war als ob sich Körper
und Geist uneinig darüber waren ob es nun Zeit war zu schlafen oder nicht. Am schlimmsten
waren die Phasen wo sie wach die Decke anstarrte und sich allen möglichen
Gedankengängen hingab die sich um alles Mögliche drehten, sei es nun die Farbe
der Decke selber, arme überfahrene Igel auf der Autobahn, ihre erste Freundin
in der Grundschule zu der sie überhaupt keinen Kontakt mehr hatte oder die
Formeln aus dem Chemieunterricht. Nathan der Weise kam auch ab und zu hoch,
aber der wurde aus Prinzip unterdrückt.
Sie wollte schlafen. Sie
wollte träumen. Aktiv träumen und bestimmen was als nächstes geschah, doch ihr
Körper ließ sie nicht. Es fühlte sich an als ob er voll war mit Energie doch
war es nicht möglich diese abzubauen. Eine Stunde nach Mitternacht fing sie
damit an Liegestütze und Rumpfbeuge zu machen. Erst zehn, dann zwanzig, irgendwann
vierzig. Immer wieder in der Hoffnung, dass sie danach ausgelaugt einschlafen
würde.
Erst als es schon fast
fünf war fiel sie in eine traumlose Dunkelheit, aus der sie von ihrem Vater
eine knappe Stunde später wieder herausgerissen wurde. Unter der Dusche, die
ohne weitere Umschweife aufgesucht wurde ließ sie sich ihre Möglichkeiten durch
den Kopf gehen. Entweder sie ging zur Schule oder zum Arzt und ließ sich
krankschreiben. Natürlich war die Idee mit dem Arzt verführerisch, aber dann
wäre sie die meiste Zeit alleine zuhause und müsste sich die Zeit und
unangenehme Gedanken vertreiben.
Da schien die Schule keine
so schlechte Idee zu sein. Routiniert wurde zuerst die Dusche und dann die
Küche aufgesucht. Dort stopfte sie sich fünf Wurstbrote hintereinander in den
Mund um das nagende Hungergefühl zu stillen. Satt konnte sie ihren Zustand
nicht nennen, es fühlte sich eher so an als ob sie sich wie der Wolf im Märchen
Steine in den Bauch gepackt hatte. Der Hunger blieb. Alle Versuche der Eltern
sie dazu zu überreden zum Arzt zu gehen wurden abgewehrt.
Ihr Vater hatte heute
Spätschicht und bot sich an die Kinder des Hauses zu fahren, die Idee mit
dem Fahrrad zu fahren wurde gar nicht
erst in Erwägung gezogen, denn so konnte sie noch übermüdet wie sie war noch
etwas vor sich hin dämmern. An der Tankstelle kaufte er ihr noch eine große
Flasche Cola.
„Wenn du schon unbedingt
zur Schule willst, brauchst du etwas was dich wachhält.“
Maxi warf ihr über den
Rückspiegel einen skeptischen Blick zu: „Du hättest heute zu Hause bleiben
können. Warum sitzt du hier im Auto?“
„Weil in zwei Wochen die
Klausuren anfangen, weshalb jetzt die Lehrer noch mal alles durchgehen was
rankommen kann.“
Darauf kamen keine
Einwände. Es klang ja auch logisch. Pflichtbewusstsein konnte man also auch als
Ausrede benutzen.
Wie um ihre Stimmung noch
zu verdüstern war das erste Fach was auf dem Plan stand Deutsch. Drei volle
Stunden. Das leere Völlegefühl war schon wieder abgeebbt und nun musste sie
sich hungrig irgendeinen Mist über Gotthold Ephraim Lessings Theaterstück
Nathan der Weise anhören, welches am 14. April 1783 uraufgeführt wurde und mit
seiner Ringparabel einen Schlüsseltext der Aufklärung lieferte und die Tolleranzidee
ziemlich auf den Punkt brachte. Vollkommen unmöglich dem zu folgen und sich das
auch noch zu merken.
weiterlesen
Launing
die Geschichte einer Verwandlung
Hier zu kaufen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen