Montag, 23. Januar 2012

Der Stadtmensch

Als ich eines Morgens in den Spiegel schaute, musste ich stutzen. Das war doch einfach unglaublich. Ich kniff die Augen zu um sie wieder zu öffnen. Nichts änderte sich. Es war nicht daran zu rütteln.
Da wuchs mir doch tatsächlich ein Haus aus dem Kopf.
Was man da macht, werden sie jetzt fragen.
Natürlich ging ich zum Arzt.
Der Weg dahin war eine Qual.
Sind sie schon mal mit einem Haus auf dem Kopf in der Bahn gefahren?
Ständig wird man angeglotzt, die Kinder lachen einen aus und andauernd die Frage: „Ist das da ein Haus auf ihrem Kopf?“ die man ja nach Entnervtheit mit „Ja“ beantwortet.
Der Arzt wusste nicht wirklich weiter.
Er maß das Ding auf meinem Denkapparat aus, klopfte dagegen und das einzige was er verblüfft feststellen konnte war: „ Sie haben da ein Haus auf ihrem Kopf. Das Ding da auf ihrem Kopf ist doch tatsächlich ein Haus.“
Ich bedankte mich halbherzig und ging nach Haus.
Können sie sich eigentlich vorstellen wie kompliziert das Leben mit so etwas wird? Ständig stößt man sich irgendwo und es ist ja nicht so, dass das Haus unbewohnt ist.
Nein, ich habe in gewisser Weise Untermieter.
Es handelt sich hier nach aktuellen Beobachtungen um ein paar ältere Ehepaare und eine Wohngemeinschaft von ein paar Studenten.
Nun ist es ja allgemein bekannt, dass sich die Vertreter der menschlichen  Gattung weder vertragen, noch an die allgemeinen Schlafenszeiten halten.
Ständig gibt es Beschwerden wegen der lauten Musik und versuchen sie doch mal zu schlafen oder sich zu konzentrieren wenn jemand immer wieder brüllt „Erna ich kann meine Brille nicht finden!“
„Auf der Kommode Günther, da wo sie immer liegt!“
Irgendwie nahm ich an, dass es bei diesem einem Haus bleiben würde.
Fehlanzeige.
Innerhalb der der nächsten Wochen wuchsen mir nach und nach drei Häuser auf Bau, Schulter und Brust.
Aber gewöhnt man sich an ein Haus, gewöhnt man sich an alle
Immerhin konnte ich noch auf dem Rücken schlafen. Ich durfte mich nur nicht zu hektisch bewegen. Man wacht sehr leicht auf wenn ein paar dutzend Menschen „Erdbeben“ schreien.
Was mich dann doch ein wenig irritierte, was die Tatsache, dass mir nach ungefähr einem Monat Straßen auf der Haut wuchsen.
Es störte nicht wirklich, obwohl das Schlafen im Stehen doch schon eine Umstellung war. Nichtsdestotrotz war das Fahren der Autos auf meiner Haut eine recht angenehme Massage, die ich nur weiter empfehlen kann.
Aber Straßen und Autos auf der Haut sind nun mal nicht normal.
Also fragte ich meine Mutter um Rat, da ich keine Lust hatte zum Arzt zu gehen, der mir sowieso nur wieder erzählt hätte, dass ich Straßen auf der Haut hatte.
Meine Mutter war sichtlich verstört ihren Sohn mit Häusern und Straßen auf der Haut zu sehen.
Ich musste sie sogar erst einmal davon überzeugen, dass ich es war.
Meine Hoffnungen wurden mit dem Satz „Vielleicht hast du etwas falsches gegessen“, zerstört.
Ich war kein Spezialist, aber das war mit Sicherheit nicht der Grund.
Als ich ein paar Wochen später auch noch eine U bahn unter die Haut bekam, mein Arzt bestätigte mir das, wurde es mir zu viel.
Dieser ganze Stein und Beton belastete mich mehr und mehr und es wurde immer schwieriger für mich sich zu bewegen.
So zog ich aufs Land und hatte so auch endlich meine Ruhe vor allen neugierigen Menschen,  die mich ständig anstarrten.
Das bedeutete aber auf keinen Fall, dass diese ganze Entwicklung inne hielt.
Sie beschleunigte sich eher noch.
Irgendwann wurden mir all die Häuser und Straßen zu viel.
Ich konnte nicht mehr aufstehen.
Ich blieb einfach auf dem Boden liegen und ließ das alles auf mir wachsen.
So wurde aus mir schließlich eine richtige Stadt.
Letztens wurde mein aktueller Bürgermeister gefragt, wie ich denn entstanden sei.
Er meinte dass es mit einem Haus anfing und der Rest sich einfach entwickelt hatte.
Irgendwie hat er ja recht.

Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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