Mittwoch, 15. September 2010

Interview Tatjana

Tatjana Schierkowski ist 20 Jahre und Auszubildene bei der Polizei. Bei einem Kaffee und einer Bitter Lemon unterhielten wir uns über ihren Beruf und was dahinter steckt.

Da Häng: Im wievielten Jahr deiner Ausbildung bist du jetzt?
Tatjana Schierkowski:Im dritten.
D.H.: Warum hast du dich dazu entschieden Polizistin zu werden?
T.S.: Lustig, das wird man auch in ziemlich jeder neuen Dienststelle gefragt. Ursprünglich deshalb weil ich keinen Bürojob haben wollte, sondern mit Menschen arbeiten wollte und weil ich irgendwie etwas zu einer besseren Welt beitragen wollte. Aber ob es im Moment möglich ist weiß ich nicht.
D.H.:Gibt es irgendwelche Bereiche bei der Polizei, wo du am liebsten arbeiten würdest.?
T.S.: Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, da die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass ich zu den geschlossenen Einheiten komme. Das sind die Gruppen, die bei Demonstrationen, Fußballspielen oder Ähnlichem eingesetzt werden. Also nicht die, die im Funkwagen fahren, sondern die, die absperren, sichern oder neben Demonstranten herlaufen.
Ansonsten kenne ich mich noch zu wenig aus um eine Wunschdienststelle zu nennen. Wir hatten zwar einige Praktika, aber mir fehlt immer noch der richtige Durchblick, ich muß mich also noch richtig informieren.
D.H.: Wie sieht der Unterricht in der Ausbildung aus?
T.S.: Auf jeden Fall anders als in anderen Ländern. Bei uns gibt es zuerst zwei Jahre absolute Theorie. Gleich nach den ersten drei Wochen, wo man schon seine Uniform bekommen hat läuft ein Schnupperpraktikum von einer Woche. Da kommst du dann richtig auf die Dienststelle, darfst mitfahren aber noch nichts machen. Jetzt im dritten Jahr haben wir richtig Praktikum, auf der geschlossenen  Einheit, auf dem Abschnitt, in der Verbrechensbekämpfung. Da bit es verschiedene Dienststellen und da darf man auch richtig mitarbeiten. Aber eben auch erst jetzt.
D.H.: Wo liegen die Unterschiede in der Ausbildung zwischen den Ländern?
T.S.: In England und Amerika sind es nur zwei Jahre oder auch nur sechs oder acht Monate und fast nur Praxis. Also kommen die gleich auf die Straße und lernen es da, was ich persönlich besser finde, weil nur Theorie und dann Praxis bringt nichts. Das müsste man bei uns auch mehr kombinieren.
D.H.: Ist die Ausbildung in Deutschland im Ländervergleich jetzt besser oder schlechter?
T.S.: Kann man schlecht sagen. Wenn man hier aus der Schule raus gelassen wird hat man mehr damit zu tun sich an die Praxis zu gewöhnen. Durch das Praktikum alleine ist es nicht möglich sich in ndie Praxis reinzufinden. So ist es auch bei uns so, dass die Kollegen sagen: ‑Vergiss alles was du gelernt hast, wir fangen jetzt neu an. Vielleicht ist es hier etwas blöd geordnet, aber nicht unbedingt schlechter.
D.H.: Wie sieht die Theorie genau aus?
T.S.: Es gibt acht Fächer, da gibt es Strafrecht, Verkehrsrecht, Sicherheits- und Ordnungslehre, Deutsch, Kriminalistik und besondere Ordnungslehre. In den Fächern ist eine Menge zu lernen, davon sind die meisten Fächer Durchfallfächer, die muss man bestehen, also mindestens eine vier haben. Es sieht so aus, das alle drei Monate eine Prüfung ansteht. Im ersten Jahr sind es so um die sieben Prüfung á 90 Minuten, im zweiten Jahr sind es dann acht Prüfungen á vier Stunden, das alles in jedem Fach. Im dritten Jahr haben wir dann noch eine Prüfung von vier Stunden wo Themen aus allen Bereichen abgefragt werden.
D.H.: Was für Probleme gibt es als Frau in diesem Beruf?
T.S.: Offiziell keine, inoffiziell ist der Fakt aber so, dass viele Männer ein Problem mit Frauen bei der Polizei haben. Dann fallen halt solche Kommentare wie ‑Püppchen müssen auf dem Wagen bleiben. oder ‑Auf Demonstrationen müssen wir auf Tati aufpassen. Das ist auch in gewisser Hinsicht klar, weil eine Frau kann nicht so stark sein wie ein mann. Aber in bestimmten Situationen geben Männer auch zu, dass Frauen besser geeignet sind, zum Beispiel wenn es um das Schlichten von Streitigkeiten geht.
D.H.: Wenn du jetzt auf die Straße gehst und nicht mit Kollegen, sondern mit Zivilisten zu tun hast, was für Probleme kommen da auf dich zu?
T.S.: Na jede Menge, da gehört zum Beruf der Polizei. Keiner ist freundlich, wenn du zu ihm sagst: „Ey gib mal 30 Euro, du hast was falsch gemacht.“ Aber die meisten sind doch schon ziemlich informiert. Die sehen dann die zwei Striche auf der Schulterklappe, merken, dass du noch zur Schule gehst und sind dann auch ziemlich freundlich. Andere sind dann wieder richtig unfreundlich. Aber richtig schlimme Sache habe ich bis jetzt noch nicht erlebt. Das Bild in der Öffentlichkeit reicht also von „Die machen nur ihren Job“ bis hin zu „Alle Polizisten sind rechtsradikal.“
D.H.: Und wie sieht es mit dem rechtsradikal bei der Polizei aus?
T.S.: In der Ausbildung wird sehr darauf geachtet. Das fängt an bei den Haaren. Glatze ist verboten, das darf man einfach nicht. Man wird dann zum länger wachsen motiviert. Aber die Frage ist ja immer ob man die am Äußeren so krass erkennen kann. Weil wenn die Kandidaten mit unauffälligen Verhalten dort aufkreuzen wird man die nicht gerade erkennen können.
D.H.: Hast du welche erkennen können?
T.S.: Private Äußerungen schon, aber ich weiß nicht ob die so rechts sind oder einfach nur Mitläufer, das kann man schlecht einschätzen. Und inwiefern sie das in ihrem Beruf einbringen ist auch wieder was anderes, weil man die Meinung dann nicht unbedingt im Beruf ausleben muss. Wie gesagt, es wird sehr darauf geachtet.
D.H.: Wie sieht das Bild der Polizei gegenüber Linken aus?
T.S.: Da kann ich nur von der Schule sprechen, weil ich auf der Dienststelle noch nichts mitbekommen habe. Es ist schon so, dass eine gewisse Vorsicht oder auch Ablehnung gegenüber dem schwarzen Block herrscht.
D.H.: Stichwort Berufsfrust, wie sieht es bei dir in der Ausbildung damit aus?
T.S.: Er ist erschreckend hoch muss ich sagen. Nachdem ich einmal durchgefallen bin, habe ich ernsthaft überlegt ob ich aufhöre, weil ich ziemlich stark gemobbt wurde. Eigentlich nur von einer Kollegin, aber die anderen haben sich dann mit daran beteiligt und dasselbe erlebe ich jetzt bei anderen Personen wieder. Eine andere Sache sind dann die Ausbilder, die einen on oben herab behandeln, als wäre man im Kindergarten.
D.H.: Hast du dem irgendetwas entgegengesetzt?
T.S.: Das Weib habe ich irgendwann abgeschaltet, das war irgendwann nicht mehr da für mich. Mit der zweiten Klasse wurde dann auch die Situation im ganzen besser. Gegenüber den Ausbildern dann erst im zweiten Jahr.Weil man in manchen sachen massiv und unter der Gürtellinie angemacht wurde, auch was Mann und Frau betrifft. Die haben sich auch einfach Sachen rausgenommen die nicht hinzunehmen waren. Dazu gesellen sich dann verschiedene Geschichten die man über diese Leute hört. Irgendwann muss man sich wehren, nur rechtliche Schritte habe ich noch nicht unternommen, da die Beweislage nicht schwer genug war.
D.H.: Wie waren denn die Reaktionen aus deinem Umfeld auf deinen Entschluss Polizistin zu werden?
T.S.: Unterschiedlich. Vielen Leuten habe ich es nicht erzählt. Was meine Eltern angeht, so war meine Mutter etwas besorgt, mein Vater fand es gut wegen dem Geld. Meine beste Freundin war überhaupt nicht begeistert davon und meinte, dass es überhaupt nicht zu mir passt und das ist so ziemlich die Meinung die alle anderen haben, weil ich bin einfach zu weich für den Beruf. Das sehe ich mittlerweile auch so.
D.H.: Wenn du jetzt an den Anfang deiner Ausbildung zurückdenkst und dich mit heute vergleichst, inwieweit hast du dich verändert?
T.S.: Die Veränderung ist klar. Ich bin direkt nach der Schule mit 16 dahin gekommen und bin jetzt im Januar das vierte Jahr in dieser Behörde. Die ersten zwei Jahre war ich einfach nur geschockt. Mein Leben war so gestaltet, dass ich auf Arbeit wie auf Arbeit war und ab 15 Uhr wenn ich Schluss hatte ein anderer Mensch war, eben so wie mich meine Freunde kennen.Teilweise hat auch meine Familie gesagt, ich sei total hart geworden, das hat sich aber geändert als icfh meinen freund kennen gelernt habe. Jetzt ist es einfach so, dass ich Privates und Beruf zu trennen versuche, was wirklich nicht einfach ist. Und durch das Verhalten der Ausbilder mir gegenüber bin ich auch viel selbstbewusster geworden.
D.H.: Welche Mittel gegen den Berufsfrust hast du entwickelt, sprich wie entspannst du dich nach 15 Uhr?
T.S.: Sich einfach an schönen Dingen freuen. Zum Beispiel, wenn man aus der Schule kommt die Sonne genießen oder sich mit Freunden treffen, was ich im ersten Jahr total vernachlässigt habe. Zu dieser Zeit war es einfach eine krasse Umstellung, erst jeden Tag mit der Freundin zusammen zu sein  und dann gar nicht mehr. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass wir uns wenigstens einmal in der Woche treffen, von da an ging es auch bergauf. Jetzt wird erstmal die nächste Reise zum Freund geplant, oder es wird Musik gehört, ins kino gegangen und das Abhängen habe ich auch wieder erlernt
D.H.: Besten Dank für das Interview.


DA HÄNG KLOTZ die ersten anderthalb Jahre Support independent publishing: Buy this book on Lulu. Bookmark and Share

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