Arbeit ist das was Spaß macht, alles andere ist Geld
verdienen
Bertolt Brecht
Reden wir.
Reden wir über meine Sucht.
Ich weigere mich bis zum heutigen Tage mich als Alkoholiker
zu bezeichnen oder zu behaupten, dass ich generell ein Problem mit dem Stoff
habe.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich in den Suff
geflüchtet habe, geschweige denn an dem Umstand, dass ich mit Sicherheit das
habe, was man allgemein ein Suchtproblem habe und ich rede hier nicht von den
Zigaretten.
Reden wir darüber, dass ich ein Workaholic bin.
Ich bin da bei weitem nicht der einzige. Immer wieder höre
ich von anderen Betroffenen, dass sie sich nicht nur auch, sondern in erster
Linie durch ihre Arbeit identifizieren und ausleben.
Was passiert eigentlich mit so einer Person, wenn man so
jemanden den Lohn für seine Arbeit verweigert und anderen zuspricht? Womit
kompensiert man das?
Für mich ist der Missbrauch von Alkohol immer ein Symptom,
mit dem man etwas kaschieren, betäuben oder ersetzen versucht.
Vor dem Missbrauch einer Substanz kommt immer etwas anderes,
etwas einschneidendes.
Wie ich schon eingangs erwähnt habe, bin ich der „Fun“ im
„funktionalen Alkoholiker“.
Das ist eine interessante Wortkombination und ein kleines
aber feines Hobby von mir ist es eigentümliche Worte und/oder Kombinationen
unter die Lupe zu nehmen um ihren Sinn heraus zu schälen.
Alkoholiker sind doch die ungewaschenen Typen, die am Döner
ihr Hartz IV versaufen und dabei auf die Gesellschaft schimpfen.
Alkoholiker torkeln doch besoffen durch die Bahn und
verticken dabei irgendeine Obdachlosenzeitung, wenn sie sich nicht gerade ein
paar Taler zu erschnorren versuchen.
Alkoholiker prügeln doch ihre Kinder ins Bett und haben
keine Zähne.
Alkoholiker sind doch die Bauarbeiter, die ihren Tag mit
einem Bier beginnen und ihre Schicht mit Wodka meistern.
Alkoholiker grölen doch so oft sie nur können und suchen
Streit wo sie nur können.
Wie kann denn bitte so jemand funktional sein?
Aber anscheinend gibt es genügend davon um einen eigenen
Begriff zu etablieren.
Warum gibt es eigentlich keine funktionalen Kiffer?
Koks und Chrystal Meth haben doch schließlich auch den Ruf
illegale Drogen zu sein, die dazu genutzt werden um die Funktionalität zu
erhöhen. Das hat sich auch schon bis in den Bundestag herumgesprochen.
Neben dem Pegeltrinker und dem Wirkungstrinker mausert sich
der funktionale Alkoholiker langsam aber sicher zu einer eigenen Gattung.
Dabei handelt es sich um eine sozialpsychologische
Einteilung. Trotz eines weitverbreiteten ganzheitlichen Ansatzes steht für die
humanbiologischen Mediziner aufgrund ihrer gewählten Fachrichtung immer das
körperliche im Vordergrund. Jeder beschaut sich halt das Problem aus seiner
eigenen fachlichen Brille, inklusive Scheuklappen.
Die Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen sind fließend
und augenscheinlich nebensächlich.
Es ist auch durchaus möglich, dass man im Laufe der Jahre
die Gattung wechselt.
Auch ein Pegeltrinker kann nach seinem Schnaps am Morgen mit
genügend Nelken oder Deo funktionieren und seiner Arbeit nach gehen. Ein
Wirkungstrinker kann auch erst nachdem er auf
Arbeit funktioniert hat sich seiner gewünschten Wirkung entgegen
trinken.
Warum schält sich nun der funktionierende Alkoholiker in den
letzten Jahren immer mehr als eigenständige Unterkategorie heraus?
Von meiner Art des Alkoholmissbrauchs und von anderen
Berichten kann ich darauf schließen, dass
es darum geht den Kopf auszuschalten, da man sich vom Grübeln oder ewig
kreisenden Gedanken lösen will. Ja i ti Roboti.
Man will keinen Rausch, man will nicht lustig sein und man
will mit nichts mehr zu tun haben.
Man will sich nach der gewünschten Funktion ausschalten um
dann am nächsten Tag wieder funktionieren zu können. Ja i ti Roboti.
Der Alkohol wird dazu genutzt um unliebsame Emotionen und
Gedanken abzuschalten. Der Kopf soll endlich Ruhe geben. Das Leben bekommt
einen kalten, mechanischen Automatismus.
Man funktioniert für alles andere, nur nicht für sich. Ja i
ti Roboti.
Irgendwann ist es
dann soweit, dass man überhaupt nichts mehr mit Emotionen anfangen kann.
Wollte man zuerst nur seine eigenen Gedanken beruhigen,
stellen am Ende die eigenen Gefühle Fremdkörper dar. Der Automatismus bekommt
autistische Züge.
Und dann fängt man an zu heulen und weiß nicht warum. Man
ist eben doch kein Roboter.
Anstatt die Wunde mit Alkohol zu desinfizieren oder das
Getriebe zu schmieren, hast du dich damit komplett betäubt.
Das solltest du nie vergessen, denn wer nicht aus den
Fehlern der Vergangenheit zu lernen vermag ist dazu verdammt sie zu wiederholen.
Es ist ein Fehler sich selber für andere zu vernachlässigen.
Es ist ein Fehler nur funktionieren zu wollen.
Und Roboter bedeutet wortwörtlich nichts anderes als
Arbeiter und auch Arbeiter haben ein Herz.
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