Sprichwort
Eigentlich
will ich diesen Text hier nicht schreiben.
Ich
habe da ein Raumschiff, dass gerade in einer Raumzeitverkrümmung
festhängt, einen Typen der durch eine verwunschene Stadt irrt und
noch lauter andere Geschichten, die mir gerade durch den Kopf
geistern.
Aber
die können gerade irgendwie nicht raus.
Genauso
wie ich letztes Jahr meine Wohnung in zweieinhalb Stunden sauber
gekriegt habe, konnte ich auch im Durchschnitt 1500 Wörter pro Tag
schreiben, genauso wie ich Texte mal eben quer lesen konnte.
Jetzt
liegen in meinem Nachtschrank lauter Bücher, die ich nicht lesen
kann, weil mir die Konzentration fehlt.
Das
einzige was ich gerade aufnehmen kann sind Zitate und mein Wordcount ist bei knapp 500 die Woche.
Wenn
ich mit Menschen zu tun habe bekomme ich Kopfschmerzen und selbst gut
gemeinte Besuche strengen mich an. Nach einer Stunde Ballspielereien
in der Bewegungstherapie falle ich vollkommen erschöpft in mein
Bett.
Theoretisch
könnte ich da den ganzen Tag bleiben, aber dann ist da wieder die
innere Unruhe und die Monster in meinem Kopf machen sich breit.
Also
setze ich mich so oft es geht auf den Ergometer, auch bekannt als
Hometrainer oder Standfahrrad, und reagiere mich ab.
Entweder
weil man als Süchtiger seine Ausdauer trainieren soll oder weil ich
aus gut unterrichteter Quelle weiß, dass das russische Wort für
trainieren wortwörtlich übersetzt aufladen bedeutet.
Beim
auf der Stelle radeln höre ich Musik und mach die Augen zu, dann
habe ich vor der Welt meine Ruhe.
Nach
knapp 30 Minuten kommt die leichte Euphorie, die nach dem Absteigen
knappe 10 Minuten anhält.
Wenn
es möglich ist, gehe ich spazieren.
Am
besten da wo es keine oder nur wenige Menschen gibt.
Im
Wald fühle ich mich wohl, hier bin ich aufgewachsen und kein
Wildschwein kann so grausam sein wie manche Menschen die ich kenne.
Die
frische Luft erfrischt ein wenig den Kopf und lockert ein wenig die
Wolke die ihn umgibt.
Auf
der Station geistern die unterschiedlichsten Patienten herum.
Eine
Frau hat den Körper einer Zwanzigjährigen, aber das Gesicht ist
nochmal vierzig Jahre älter.
Dazu
trägt sie farblich abgestimmten Nagellack zu Haarschleife und
Pullover.
Ein
großer kräftiger Mann gibt in der Arztsprechstunde zu verstehen,
dass er kein Alkoholiker ist.
In
der Bewegungstherapie lässt er durchblicken, dass er wegen
Amphetaminen hier ist.
Er
freundet sich schnell mit einer jungen blonden Frau an, die ein
mechanisches Lachen hat und wegen Medikamenten hier ist.
Dann
ist da ein kleiner Mann, der nur hier ist um mal kurz Pause vom
dauernden Saufen zu machen, was eine Freundin mit „Der hat den
Schalter nicht gefunden“ kommentiert.
Schließlich
ist da noch ein Mann mit Gehstock, der laut eigener Aussage seit 40
Jahren Schwerstalkoholiker ist und ja nur hier ist um ein Gerinsel zu
überprüfen, alles andere werde wird sich schon irgendwie geben und
diesen Psychoterror hier kann ja niemand aushalten.
Ich
nenne ihn „männliche Margarete“, weil er mich an jemanden
bestimmtes erinnert.
Er
haut verbal gerne auf den Putz, nur um danach dann leise hinter den
Rücken der anderen zu sagen „Verstehst ja wie ich das gemeint
habe“.
Keine
Aussage hat auch nur irgendwie ein Gewicht, geschweige denn Hand und
Fuß.
Eigentlich
könnte ich ihn auch Jan nennen.Christine, Daniel oder Sarah wären
auch in der engeren Wahl.
Mit
den Leuten hier verbindet mich nichts.
Bei
den Selbsthilfegruppen die sich hier vorstellen, fällt immer wieder
gerne der Satz „Wir wissen ja alle was wir für ein Problem haben“
Ich
habe keinen Saufdruck, mein Blutdruck singt beständig, ich zähle
nicht die Tage, die ich ohne Suff meister und die Flaschen rufen auch
nicht nach mir.
Ich
bin ein ziemlich starker Raucher und ich weiß wie sehr der Stoff
nach einem schreien kann und wenn ich nicht rauche kribbelt meine
Haut, als ob Ameisen darauf tanzen würden.
Der
Alkohol ist eine Nebensächlichkeit, die außer Kontrolle geraten ist
um etwas zu kaschieren.
Er
macht so herrlich dumpf und er behindert so schön das nachdenken.
Unbewusst
habe ich versucht eine Wunde in meinem Kopf zu sterilisieren.
Jetzt
kann ich meinen Kopf nicht mehr so nutzen wie vor einem Jahr.
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