Donnerstag, 10. September 2015

Ist ja wie auf Arbeit hier



Alkohol macht dumm und gleichgültig.
Kapier ich nicht ist mir auch egal

Für die ersten Tage wird mir Bettruhe verordnet.
Keine Ahnung was das sein soll, wahrscheinlich soll man aufpassen, dass das Bett ruhig steht.
Die Wochen vor meiner Einweisung in die Klinik bin ich jeden Tag 20 Kilometer gelaufen um mich irgendwie zu beschäftigen.
Einmal zur Wohnung und in einem Raum Staub wischen und wieder zurück. Es sind minimale Ziele, aber wenigstens sind es Ziele die ich erreichen kann.
Rauchen gehe ich auf eigene Gefahr, da es beim Entzug zu Krampfanfällen kommen kann.
Ich habe keine Krampfanfälle und tiger auf und ab.
In der ersten Nacht schlafe ich ohne Alkohol erlöst durch, genauso wie den folgenden Tag.
Überhaupt schlafe ich sehr viel im Moment.
Das bekannte Muster tritt wieder in der zweiten Nacht auf und mein Kopf gibt keine Ruhe.
Meine Gedanken beißen sich fest und lassen sich nicht mehr steuern.
Grübeln“, nannte das die Ärztin im Aufnahmegespräch. Die Art wie ich behandelt wurde bezeichnete sie herrlich sachlich als Mobbing.
Am dritten Tag kann ich endlich für eine halbe Stunde raus und verlaufe mich praktischerweise zum nächsten Supermarkt da ich mir ein Sportgetränk holen will.
Meine innere Unruhe kotzt mich an und ich will sie in irgendwas umsetzen.
Im Flur der Station steht ein sogenannter Ergomat, auf dem ich mich auspowern will.
Auf der Suche nach dem gewünschten Getränk komme ich an Bier, Schnaps und Wein vorbei und verspüre weder Saufdruck, noch irgendein anderes Verlangen mir das Zeug zu kaufen oder rein zu kippen.
Ekel passt eher.
Ich habe mich mit diesem Dreck betäubt um schlafen zu können und am Ende hat es nichts geholfen.
Selber habe ich immer gepredigt, man solle nicht aus Frust oder Trauer trinken und überhaupt nur zu bestimmten Anlässen und bin dann am Ende selber in diese Falle getappt.
Am selben Tag findet ein Jubiläum statt, was quasi ein Klassentreffen darstellt und eine Menge enger Freunde werden da sein.
Da ich nach der Hochzeit einer engen Freundin zuhause einen Heulkrampf bekommen habe ist es unterm Strich besser, dass ich jetzt in der Klinik bin.
Ich bin umgeben von Leuten, die das alles schon mehrmals hinter sich hatten, manche sogar mehrmals im Jahr.
Einer ist jünger als meine Eltern und sieht knapp zehn Jahre älter aus.
Nachdem ich kurz von meinem Beruf erzähle, fragt er mich nach meiner Visitenkarte. Muss am Jackett liegen.
Der Kandidat sucht sich immer neue Ausreden, wenn etwas von ihm erwartet wird und pickt sich sonst die Rosinen aus dem Kuchen.
Das Verhalten kenne ich ja jetzt zur Genüge und wahrscheinlich habe ich es mit der Muttermilch aufgesogen, dass ich diese Art und Weise zum kotzen finde.
Ein anderer möchte immer als erster ran kommen.
Man kann hier nicht alle über einen Kamm scheren und so mischen sich unter diejenigen die gut zurecht kommen erwachsene Kinder.
Mein Zimmergenosse ist wegen Canabis hier und erzählt stolz, dass er schon zwei Wochen Entzug durchgestanden hat. Er redet auch manchmal im Schlaf.
Von seinen Ausflügen kommt er mit Sonnenbrille zurück, trinkt dann sehr viel und legt sich ins Bett.
Eine Freundin ermahnt mich, dass ich doch bitte nicht auf Arbeit bin.
Überhaupt erhalte ich viele Glückwünsche, die ich alle sachlich wahrnehme.
Ich soll mich erholen, man ist für mich da, man denkt an mich und alles wird gut.
Am fünften Tag gratuliert mir die Oberärztin bei meiner ersten Visite, dass ich den Entzug doch ganz gut gemeistert habe.
Darauf weist sie eine Schwester darauf hin, dass ich noch keine Woche da bin.
So schlimm kann das Blutbild also nicht sein.
Immer wieder werde ich gefragt wie es mir geht und ich kann diese Frage nicht beantworten.
Körperlich bin ich leistungsfähig, aber sonst bin ich leer und unsortiert und kann meine Energien nicht anzapfen.
Am Abend des fünften Tages bekomme ich einen Heulkrampf und weiß nicht warum.
Ich habe mir immer wieder umsonst den Arsch für andere aufgerissen und das rächt sich jetzt.

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