Sonntag, 24. März 2013

Die Besucher

Zwischenbericht

Hallo Jakob.

Ich grüße dich und deine Familie.
Gleichzeitig wünsche ich dir und deiner Familie ein frohes neues Jahr.
Für den Fall, dass Beschwerden kommen sollten, bitte ich hiermit formell um Entschuldigung, dass ich mir mit diesem Bericht so viel Zeit gelassen habe.
Sowohl meine Wenigkeit als auch der Rest der verbliebenen Mannschaft haben zur Kenntnis genommen, dass es bis jetzt keine Beschwerden gab.
Die Gründe für die Verzögerungen und die ausbleibenden Beschwerden ist mit Sicherheit allen Beteiligten bekannt.
Die verbliebenen Mitglieder der Mannschaft befinden sich immer noch in therapeutischer Nachbehandlung.
Die körperlichen Wunden sind alle so gut es geht versorgt und verheilt.
Ich bin mir darüber im klaren, dass ich mein linkes Auge nicht zurückbekommen werde.
Jede Möglichkeit es genetisch oder technisch zu ersetzen ist aussichtslos.
Die Gründlichkeit mit der es entfernt wurde nötigt einem selbst in unserer sonst so fortschrittlichen Zeit Demut ab.
Kommen wir nun also zum Bericht über unsere Mission.
Ich gehe hier ziemlich klar davon aus, dass die Frage nach dem Erfolg aus moralischen und sachlichen Gründen nicht gestellt wird.
Ein Ignorieren dieser Vorannahme würde zu ernsthaften Störungen der Stabilität der verbliebenen Mannschaft führen.
Die Art und Weise wie uns diese Mission im Vornherein präsentiert wurde, möchte ich hier kritisch anmerken.
Es wurden Erwartungen geweckt, alte Mythen bemüht und ein längst vergangener Geist zur Erkundung beschworen.
Der Misserfolg der bereits getätigten Erkundungen wurde uns in einem völlig falschem Licht präsentiert.
Als Gründe wurden lediglich technische Probleme oder menschliches Versagen genannt.
Die eigentlichen Gefahren wurden mit keinem Wort erwähnt.
Aufgrund dieser Sachlage wird dieser Bericht kein Ergebnisprotokoll sein, sondern einfach nur den Verlauf schildern.
Unser Flug zum Merkur verlief ohne weitere Probleme.
Schiff und Mannschaft funktionierten reibungslos.
Die Stimmung an Deck war locker und voller Erwartungen.
Der kleine heiße Planet gab der Raumfahrt und der Wissenschaft schon ewig und drei Tage Rätsel auf.
Mit einem voll besiedelten inneren System und die äußeren Bereich, der klar strukturiert war, konnten wir nichts anderes als Zuversicht verspüren.
Wenn wir die Venus und den Jupiter gebändigt hatten, konnte dieser kleine verlassene Klumpen uns doch keine großen Probleme bereiten.
Rückblickend fühle ich mich an die Worte meines Vaters erinnert, der mir immer wieder einschärfte, dass die Eitelkeit des Teufels liebste Sünde ist
Mein fehlendes Auge wird mich für den Rest meines Lebens daran erinnern wie wahr diese Worte sind.
Die dichte Atmosphäre mit ihrem stabilen Wolken stellte für uns kein Problem dar.
Ohne Turbulenzen landeten wir auf geradem Weg auf dem giftgrünen Boden des Merkur.
Frohen Mutes stiegen wir aus dem Schiff um die Erkundung zu beginnen.
Es ist dieser Moment der sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hat.
Die erwartungsvollen Gesichter, die einander glücklich anlächeln.
Hier und da ein kleiner dummer Spruch, der aus Nervosität unvermeidbar ist.
Strahlende Augen in allen Gesichtern, die erwartungsvoll die sich senkende Rampe beobachten und die wilde Landschaft, die sich dahinter offenbarte.
Wir waren verdammt von dem Moment an an dem wir Fuß auf diesen verdammten Brocken.
Wage es nicht, weder heute, noch morgen, noch in Zukunft mir zu erzählen, dass du von nichts gewusst hast.
Denn du mein lieber Jakob Sundström koordinierst alle Einsätze und bist für die Auswertung der Berichte zuständig.
Du wusstest genau was uns da erwartete.
Ich will gar nicht wissen, was du schon alles lesen musstest.
In gewisser Weise tust du mir leid.
Wie du das aushältst ist mir ein Rätsel oder um es genauer und ehrlicher zu sagen, will ich gar nicht darüber nachdenken.
Tonder erwischte es als erstes, Bach war die nächste, dann traf es Lieber.
Sie wurden vor unseren Augen von den Beinen gerissen, hinein in die Wolken des Merkur.
Was mich um treibt ist das nichts zu sehen war.
Laut unseren Augen, Ohren und Scannern war da nichts.
Der Rest von uns wurde zurück gestoßen in das Schiff, das wir eigentlich verlassen wollten.
Weder sahen, noch wissen wir was uns getroffen hat.
Es war als ob uns der Planet selbst angriff.
Als wir auf dem Boden und den Wänden des Schiffes prallten drang etwas in unsere Gedanken ein und zeigte uns was mit den vorherigen Mannschaften geschehen war, die es gewagt hatten den ersten Planeten des Systems zu betreten.
Immer wieder sahen wir was unseren Vorgängern geschehen war, immer wieder hörten wir ihre Schreie. Bis wir das Bewusstsein verloren.
Die Nachricht war klar: Lasst Merkur in Ruhe.
Drei von neun überlebten.
Jeder von uns blieb eine bleibende Erinnerung.
Rundermann verlor die Zunge, Liebser die Beine, ich ein Auge.
An dieser Stelle ist die Leistung von Rundermann nicht hoch genug zu loben.
Stoisch steuerte er das Schiff in den nächsten sicheren Hafen.
Angesichts der Geschehnisse und seiner Verfassung ist hier von nichts anderem als einem Wunder zu sprechen.
Kaum waren wir sicher in der Station „Persephone“ um Venus gelandet, brach sie zusammen und hörte nicht mehr auf zu schreien.
Diese Schilderungen sollten für das erste reichen.
Genaueres kommt dann im ausführlichen Abschlussbericht.
Tief in mir brennt die kindlich- naive Hoffnung, dass weitere Missionen zum Merkur ausbleiben.
Aber viel zu gut kenne ich den menschlichen Drang zu forschen und zu herrschen.
Wir haben uns von der Venus und dem Jupiter nicht aufhalten lassen, da wird uns auch Merkur nicht ewig im Weg stehen.
Wenn man alles bis zum bitteren Ende denkt, dann wollen wir irgendwann auf der Sonne wandeln, egal wie lange es dauert und egal was es kostet um dieses Ziel zu erreichen.
Möge Gott den verlorenen Seelen gnädig sein, die auf dem Weg dahin geopfert werden.

Pass auf dich auf,
Rupert Klein
kommandierender Offizier des Erkundungsschiff „Blue Beetle“

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