Montag, 27. Februar 2012

Garganta de Stribog

Mein Name ist Axel Stone. Mit meinen Partnern Belinda Peach und Charles Alder räume ich den Dreck auf den die intersolare Union hinterlässt.

Durften diesmal zum Mars.
Ein Außenteam wurde vermisst.
Kein Lebenszeichen seit drei Tagen
Hielten Kontakt zur Basis. Ohne Pause. Funkstille verboten.
Die ganze Zeit labern.
Oder schildern. Wenn jemand nicht laberte.
Ort des Verschwindens: Garganta de Stribog.
Irgend so eine Schlucht.
Sollten den Wind da untersuchen.
Davon gab’s ja so wenig. Erst recht auf dem Mars.
Hatte seine eigene Legende. Wie alles hier.
Alder laberte die ganze Zeit. Hier ein Geist. Dort ein Gott.
Er liebte diesen Scheiß.
Marsianer waren ein abergläubisches Pack.
Wegen Wind. Wegen Sand.
Lässt einen Sachen sehen. Dinge hören.
Kann einen wahnsinnig machen.
Die Typen werden durch geknallt sein. Passiert immer wieder.
Durchdrehen konnte man immer.
Raumschiffkoller. Wüstenkoller. Kampfkoller.
Wer‘s nicht drauf hatte tickte aus.
Peach war stiller als sonst. Knabberte noch am letzten Fall.
Musste danach in Behandlung. Wollten sehen ob sie klar war.
Kamen am Graben an.
Alles wie erwartet. Station war verlassen. Keiner da, weit und breit.
Wind heulte monoton herum. Schlucht war weit weg. Konnte man dennoch sehen.
Alder schickte mich auf Erkundung. Allein. Was ein Arschloch.
Behandelte mich wie ein Baby.
Alles musste gecheckt werden.
Mikro Check.
Sicherungsseil Check.
Maske Check.
Waffe Check.
Sauerstoff Check.
Check, Check, Check, Check, Check.
Dann durfte ich Sand kontrollieren.


Die Marsianer hatten eine durch und durch mystische Mentalität.
Während der Kolonialisierung brachten die ersten Siedler die alten Geschichten von der Erde und vertrieben sich damit die Zeiten in denen es keine Übertragungen gab oder die Beleuchtung ausfiel.
So entstand eine moderne polytheistische Kultur, die vordergründig wusste, dass die Sonne ein brennender Gasball war; aber eigentlich glaubten die Leute, dass in ihrem inneren eine Entität hauste, die den himmlischen Ofen heizte.
Das ursprüngliche Terra- Forming wurde heute so geschildert, als handele es sich um eine Beschwörung der alten Mars- Geister.
So ungern ich mit Stone einer Meinung war, dieses Mal schien er recht zu haben.
Die Station war verlassen.
Nirgendwo waren Kampfspuren zu sehen oder Anzeichen von anderer Gewalteinwirkung.
Vielmehr sah es so aus, als hätten die Forscher und Offiziere sorgsam aufgeräumt und hätten sich dann auf den nach irgendwo gemacht.
Die Ausrüstung für Erkundungen war vollständig in den jeweiligen Spinden verstaut.
Wo waren sie hin?
Hinaus in die Wüste?
Erstickt im Sandsturm?
Hatte eine Herde von Cletisias unverhoffte Beute reißen können?
Die Logbücher gaben nicht wirklich Aufschluss darüber was geschehen war.
Das was ich entziffern konnte stützte Stones Theorie von Wahnsinn und Lagerkoller.
Alle Aufzeichnungen begannen strukturiert und sachlich.
Nach knapp drei Wochen begannen die Brüche.
Die Sätze wurden kürzer. Die Grammatik versagte ihren Dienst.
Wörter die keinen Sinn ergaben schlichen sich ein, die mehr und mehr wurden. Irgendwann nahmen sie die ganzen Aufzeichnungen ein.
Buchstaben formten ohne Zweifel Worte, die Sätze bildeten, doch deren Sinn blieb mir fremd.
Ein Gefühl wie ein eisiger Käfer kreuchte meine Wirbelsäule hinauf.
Wurden die Forscher von etwas oder jemanden übernommen?
Irgendwohin gebracht um eine Mission zu erfüllen?
Hatten die Mythen der Marsianer einen wahren Kern?
Im Nebenraum hörte ich Alder lauter werden.
Schließlich schrie er: „Abbruch verdammt! Stone kommen sie zurück!“
Dann rief er nach mir.


Irgendwann gewöhnt man sich an alles. Auch an Forschungsteams die aus unerklärlichen Gründen verschwinden.
Stone mag ein ignoranter Kerl sein, aber seine Sicht der Dinge traf hier den Kern der Sache.
Wenn man lange genug aufeinander hockt, abgeschnitten von der Außenwelt ist die Wahrscheinlichkeit dass man seinen Verstand verliert nicht zu unterschätzen.
Aufgrund dieser Annahme hätte Stone den Fall am liebsten für erledigt erklärt.
Aber Annahmen reichen nicht aus, es braucht Fakten um sie zu untermauern.
Mit der Herangehensweise hat Stone leider seine Probleme.
Meckernd trat er seine Erkundung an.
Den ständigen Kontakt hielt er dann auch mit ständigen Beschwerden und Genöle.
Peach ging in aller Ruhe ihrer Recherche der persönlichen und dienstlichen Aufzeichnungen nach und erkundete dabei die Station.
Ich durfte mich den Aufnahmen der Außen- Kameras widmen, die immer wieder dasselbe zeigten: Die Schlucht wie sie von Wind und Sand umtost wurde.
Nachdem ich die vierte Woche erreicht hatte fand ich die erste Erklärung für das was geschehen war.
Einer der Expeditionsteilnehmer ging zielstrebig die knapp fünfzehn Kilometer zum Schlund und stürzte sich hinein.
Begleitet wurde dieses gespenstische, quälend lange Spektakel von den verzweifelten Rufen seiner Kollegen über den Funk.
Sie hatten seine Motive zu spät erkannt und konnten ihn nicht mehr aufhalten.
Doch das war erst der Anfang.
Das war erst der Anfang eines grausamen, sich wiederhohlenden Schauspiels, was sich vor mir entfaltete.
Nach und nach, einer nach dem anderen, mal allein, mal zu zweit stürzten sich alle fünfzehn Teilnehmer der Expedition in den Abgrund.
Das alles wurde untermalt von Stones genervter Schilderung, dass er links Sand sieht und rechts Sand sieht und so weiter und so fort.
Ich war fast dankbar für die Momente wo die Verbindung schlechter wurde und nur undeutliches abgehacktes Zeug zu verstehen war.
Um das gesehene zu verdauen wechselte ich zur Sattelitenkamera um den direkten Anblick der Schlucht zu entkommen.
Garganta de Stribog war für mich nun aus einer komfortablen Weite zu sehen.
Alleine der Name klang unangenehm nach.
Garganta de Stribog. Der Rachen des Stribog, dem alten Gott der Winde.
Für mich gab es nicht mehr viel zu tun, außer meine Beobachtungen zu dokumentieren.
Der Anblick der Forschungsteilnehmer blieb so weiter in meinen Gedanken haften.
Sinnlos spulte ich monoton die Satelliten Aufzeichnungen vor und zurück.
Immer weiter. Debil auf den Bildschirm starrend, während Peach hinter mir stöberte und Stone weiter über Funk seinen Unmut kund tat, immer wieder unterbrochen von den sphärischen Störungen.
Weiter vor und wieder zurück. Dann noch weiter vor und noch weiter zurück. Immer wieder, immer weiter.
Ich kann nicht sagen ob das eine gute Idee war.
Denn der Rachen schien sich zu bewegen.
Nur sehr, sehr langsam.
Ich kniff die Augen zu und zählte bis zehn. Dann wiederholte ich den Vorgang.
Der Beobachtung blieb dieselbe.
Einer unwillkommenen Eingebung folgend verkleinerte ich den Ausschnitt und zoomte mit der Kamera weg vom Rachen bis ich das fand was ich eigentlich nicht finden wollte.
Knapp dreißig Kilometer nördlich gab es zwei Krater, die ungefähr zehn Kilometer voneinander entfernt lagen und sich auffällig ähnelten.
Wegen ihrer ovalen, spitz zulaufenden Form wurden sie „Schiffe des Radegast“, aber zusammen mit dem Rachen ergab sich nun ein vollkommen anderes Bild.
Alles was fehlte, war die Nase.
Wie betäubt drückte ich Tasten. Instinktiv wählte ich ein Zeitfenster aus, beschleunigte die Wiedergabe, schloss die Augen und lauschte gebannt.
“Azzzzzzzzzssssssssssssuuuuuuuuuummmmmmmmmmmmmmgooooooooooooooooo”, knisterte es aus den Lautsprechern.
Das waren Wörter. Gedehnte Wörter aus Wind. Gesprochen über den Zeitraum von etwa zwei Monater.
Was immer das war, es war riesig und es war alt.
Meine Gedanken überschlugen sich, bis mir wieder in den Sinn kam, dass Stone noch da draußen war.
Alleine und ohne die geringste Ahnung was sich dort eigentlich abspielte.
Mit tauben Fingern tastete ich nach dem Kom-Set und sagte ihm er solle zur Station kommen.
Seine Erwiderung ließ mich erstarren.
Stone redete noch, doch was er von sich gab ergab keinen Sinn.
Es ähnelte einer der alten Sprachen, die keiner mehr entziffern konnte.
Und ich meinte etwas von dem wieder zu erkennen, was ich gerade gehört hatte.
Verzweifelt schrie ich ins Mikro er solle abbrechen und zurückkommen.
So mussten sich die Teilnehmer der Expedition gefühlt haben wenn einer der ihren sich wieder dem Rachen nahte.
Irgendwann rief ich nach Peach, die sofort die Situation erkannte und das einzig richtige tat.

Az sŭm go. Tya e v men. Az shte bŭda v nego.
Negoviyat dukh me napada. Reputatsiyata mu pronizva moeto sŭshtestvo. Vsichko e edna i tya e dobre.
Az sŭm nishto bez nego.
Krakata mi me nosyat na ustnite si. Mozhete da me vidite kato maĭka. Vie shte me zashtiti.
Zaedno s nego, az shte bŭda shtastliv.
Moyat star zhivot e zad men.
Vsichko e yasno i bez sŭmnenie.
Az sŭm go. Tya e v men. Az shte bŭda v nego.
Ich musste kotzen.
Bauch und Brust schmerzten.
Mein Hintern war wund.
Über mir stand Peach. Daneben Alder.
Alder war bleich wie Papier. Packte panisch alles ein.
Peach erklärte mir die Situation.
Hatten Sicherungsseil aktiviert. Mich volle Pulle zurück geholt.
Arme und Beine waren taub.
Bekam kaum Luft
Peach fragte nach meinem Namen.
Ich sollte reden. Weiter reden.
Presste meinen Kopf zwischen ihre Hände.
Verlangte Erklärung.
Hatte zu warten, meinte Peach
Ich hatte zu reden.
Wer ich war. Wer sie waren.
Denken fiel schwer.
Stiegen in Shuttle. Alder gab Gas.
Zitterte am ganzen Leib.
Verlangte weiterhin Erklärung.
Peach blieb herrisch. Schaute zurück.
Presste ihre Lippen zusammen.
Schien ebenso verängstigt wie Alder.
In der Basis wurde ich verarztet.
Alder zeigte mir Aufzeichnungen.
Konnte die Nacht nicht schlafen.


Launing
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