Montag, 21. Mai 2012

Eine letzte Tasse Tee


Geliebte Mutter

Es ist an der Zeit, dass ich euch zu verstehen gebe, was genau geschehen ist.
Wir beide und auch Vater wisst wovon ich spreche.
Viel zu lange haben wir den Schleier des Schweigens über uns allen erduldet.
Das was wir nicht erwähnen ist nun mehr als drei Zyklen vergangen.
Die Zeremonien sind nun lange Zeit hinter uns gebracht.
Es ist Zeit das ich Beichte vor euch und Vater ablege.
Zu lange nagen die Erinnerungen an mir.
Ich habe es getan.
Mir ist klar, dass ihr mich dafür verfluchen wirst.
Vaters Reaktion will ich mir gar nicht erst ausmalen.
Während ich diese Zeilen mit zitternder Hand  schreibe ist mir bekannt, dass die Bücher an die Wand fliegen, das tiefe Gebrüll die Luft erfüllt, der elende Zeitgeist verflucht wird.
Das alles ist nur allzu gut bekannt.
Doch möchte ich euch und ihn anmaßend daran erinnern das ich es war der sie fand.
Tot am Seil.
Den letzten Gruß daneben.
In meinem eigenen Haus.
Vaters Bemerkung, dass sein bester Pfand nun dahin war kann und werde ich nicht vergessen.
Ihr habt mir immer aufgetragen auf Katharina zu achten.
Auch Vater legte Wert darauf, dass ich nach seinem jüngeren Nachkömmling schaute.
Erst recht weil sie wohl anzuschauen und von graziler Gestalt war.
Ich tat was ich tat keinen Klick nachdem ich sie fand.
Ihr beide wart nie gut Freund mit meiner Kunst.
Alles was ich brauchte war in meinem Laboratorium.
Um die nötigen Utensilien zu mischen benötigte ich keine vier Dez.
Es bedurfte im Ganzen nur zwei kurz aufeinanderfolgende Injektionen.
Einmal in den Kopf hinein und danach sofort in das Herz.
Ihr dürft gerne Vater ausrichten, dass ich seine unwiderstehliche Art und Weise inne habe.
Er hat es mir oft genug präsentiert.
Es würde mich wundern wenn er Stolz für mich empfinden würde.
Verzeiht mir meine Anmaßungen.
Doch ich hatte die Entscheidung zu treffen.
Genauso wie sie die Entscheidung traf bei mir zu sterben und nicht bei euch und Vater.
So anmaßend mein Verhalten war, ich denke es war mehr als gerechtfertigt.
Wenn ihr euch fragt was meine Intention war so möchte ich euch zu verstehen geben, dass ich schlicht einen letzten Moment mit ihr teilen wollte.
Einen Tee mit etwas Gebäck mit meiner kleinen Schwester die ich seit ihrer Geburt zu beaufsichtigen hatte.
Ihr mögt euch daran erinnern, dass Vater nicht dazu imstande war ihrer Geburt beizuwohnen und ich seinen Platz einzunehmen hatte.
Es war meine Hand die ihr malträtiertet und in meinen Armen wurde sie auf dieser Welt willkommen.
Ich wählte ihren Namen.
Eure Kritik die ihr anbringen werdet wird gerechtfertigt sein, denn das Serum ist noch nicht ausgereift.
Es revitalisiert Personen, doch hat es eine zeitliche Begrenzung von maximal zehn Dez.
Ihre Bewegungen waren verzögert und ihre Sprache war unklar.
Katharina war anwesend doch gleichzeitig nicht wirklich präsent.
Die Probleme mit der Sprache wurden von wahrscheinlich von dem gebrochenen Kehlkopf beeinflusst.
Der Körper meines kleinen Sterns saß vor mir und trank Tee doch sie war nur zu Teilen da.
Immer wieder bat sie mich sie gehen zu lassen.
Das einzige was ich antworten konnte war, dass sie abzuwarten hatte.
Sie würde nachdem die Wirkung der Injektionen verflogen von alleine weiterziehen.
Sie hatte ihren Tee zu trinken.
Es waren Momente voll quälender Stille die wir beide zu erdulden hatten.
Von ihrem sonst so hellem Naturell und sprühenden Witz war nichts mehr zugegen.
Doch die wenigen, viel zu dürftigen Konversationen die wir betrieben untermauerten die wichtigen Positionen.
Sie liebt und dankt euch, Mutter.
Sie zeigte sich auch mir gegenüber voller Verständnis.
Vater erwähnte sie nicht und ich hielt es für unangebracht ihn in unsere letzte Konversation mit einzubringen.
Zum Schluss  entschlief sie mit ihrem Kopf auf meinem Schoß, während ich die alte Spieluhr bemühte.
Dieses zierliche Kleinod, welches wir damals auf der Venus in Kakdila erstanden haben, hatte ihr schon immer in schweren Stunden das Gemüt erhellt.
Zuckend das Serum aus schwitzend, lauschte sie den sphärischen Klängen, während ich die zierlichen Figuren bei ihrer sich wiederholenden Wanderschaft beobachtete.
Kurz war es so wie damals vor vielen Jahren, als wir noch jung und unbekümmert waren.
Als der finale Ton erklang hatte sie schon lange ihren letzten Atemzug getan.

Ich werde Euch die nächste Zeit weder aufsuchen noch kontaktieren.
Hoffentlich könnt ihr ein kleines Jota Verständnis für
meine Handlungen in eurem Herzen finden.

Euer euch liebender und dienender Sohn
Sebastian


Launing
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