Dienstag, 28. Juni 2011

Launing Kapitel 4/4

„Lass dich nicht fertig machen. Du musst immer davon ausgehen, dass es überall eine zehn Prozent Arschlochquote gibt. Das gilt für die Leute, die bei uns mit in der Klasse sitzen und auch für die Lehrer. Und einige Lehrer sind manchmal echt arrogante Fachidioten. Wenn du in einer Klausur nicht das hinschreibst, was die für richtig halten, dann hast du nicht die geringste Chance über eine drei zu kommen.“
Skeptisch blickte sie ihren Bruder an, der so plötzlich monologisierte. Man gewöhnte sich als Nesthäkchen und einzige Tochter schon von Geburt daran, dass jeder auf einen aufpasste und gut gemeinte Ratschläge erteilte, aber in der letzten Zeit schien es sich merklich zu häufen.
„Paul hat letztens erzählt, dass er sich mal ordentlich mit einem Professor angelegt hat, weil sie unterschiedlicher Meinung waren. Am Ende hat dieser blasierte Kerl sich nur noch darauf gepocht, dass immer noch er der Lehrer sei, weil er keine Argumente mehr hatte.“
„Und wie hilft mir das jetzt in Deutsch weiter?“
„Das hilft dir in jedem Fach weiter.“
„Vor zwei Jahren, als du so alt warst wie ich jetzt, kam da auch jeder zweite zu dir und eine Botschaft für das Leben abgeliefert?“
„Keine Ahnung, hab da meistens nicht zugehört.“
„Das muss ich mir merken.“
Von nun an schweigend wandten sie sich beide ihren Schularbeiten zu.
Der Gesamtzustand in dem sie sich befand verbesserte sich nicht wirklich, vielmehr gewöhnte sie sich daran.
Nach dem Abendbrot begab sie sich direkt in ihr Bett um dort noch ein wenig für Erdkunde zu lernen.
 Kontinentalplatten und ihr Verhalten im Straßenverkehr.
Wenn der Lehrer nicht so langweilig wäre, würde sie sich vielleicht etwas mehr dafür interessieren, denn eigentlich war es schon spannend zu wissen wie die Kugel auf der sie alle lebten sich verhielt.
Noch viel interessanter fand sie, dass das Erdinnere genauso wie die Tiefen des Ozeans gar nicht so genau erforscht war. Im Prinzip machten die Forscher nichts anderes als gezielt raten. Es gab keine Aufnahmen vom Erdkern oder vom Grunde des Atlantiks, im Gegensatz zu all den fernen Galaxien im Weltall.
Mit einem Fieberthermometer in der Hand kam ihre Mutter in das Zimmer.
Sie hatte sich zwar den ganzen Tag nicht fiebrig gefühlt, erhob aber keine Einwände und steckte sich die kalte Glasröhre unter den Arm. Während sie warteten wurde gleich von elterlicher Seite klargestellt, dass am nächsten Tag Fahrrad fahren untersagt war.
Mit einem prüfenden Blick stellte ihre Mutter das offensichtliche fest.
 „Fieber hast du keins, wenn es morgen nicht besser ist, gehen wir zum Arzt.“
Dann folgte ein langer fürsorglicher, fast trauriger Blick auf die Tochter des Hauses.
„Halte dich fern von Hinterhöfen, wenn er dich wirklich will küsst er dich auch vor Publikum“, kam es leise aus dem Mund.
„Wie kommst du darauf?“
„Naja, du bist sonst nicht wirklich jemand der gerne bastelt und falls du jemals daran gezweifelt haben solltest; Deine Eltern reden miteinander.“
„Was ihr euch erlaubt.“
„Ruh dich aus.“
Zum Abschied strich sie ihr noch einmal über den Kopf und küsste sie auf die Stirn.
Allein in ihrem Zimmer ließ sie noch einmal alles an sich vorbei ziehen.
Die Unterleibsschmerzen hatten nachgelassen und der letzte Tampon war nicht mehr so voll gewesen. Stattdessen war da nun ein fester Knoten in der Magengrube. Eine große Ungewissheit war in diesem Knoten.
Die Welt war ein Stück dunkler geworden und niemand konnte das ändern, nicht mit Tee und nicht mit Likör und auch nicht mit coolen Sprüchen.  Ihre Familie tat was sie konnte um ihr beizustehen und konnte doch nicht helfen. Der Knoten zerplatzte zu einer alles erfüllenden Wehmut die heiß den Körper überschwemmte und sich zielsicher ihren Weg bis zu Augen und Nase bahnte.
Im Halbschlaf sah sie wie Johnny es sich auf ihrem Stuhl gegenüber dem Schreibtisch bequem machte und mit seinen großen spiegelnden Augen aufmerksam in ihre Richtung blickte. 
Still verharrte er in seiner Position ohne sich ein einziges Mal zu rühren. Immer wieder öffnete sie die Augen um zu sehen ob er vielleicht zu ihr ins Bett kam, doch er blieb dort auf dem Stuhl.
Lungernd warteten die Träume in ihrem Hinterkopf. Sie wohnte allein in einem Haus an dessen Tür es ständig klopfte. Es gab kein Wasser. Vor der Tür stand ein Glas, doch das war vergiftet.

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Launing
die Geschichte einer Verwandlung

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