Freitag
Ihre Träume waren durchzogen von Dialogfetzen aus Nathan dem Weisen. Immer wieder hallten die Wörter in der Dunkelheit nach und ließen ihren Kopf vibrieren. Ein alter Mann kam auf einem Reh heran geritten und meinte er wolle mehr vom Leben.
Mit einem Mal war sie wach. Sie wusste nicht wieso oder warum, sie war auf einmal wach.
Es war erst halb sechs, doch sie wusste, dass sie nicht mehr einschlafen würde.
Ihr schwarz weiß gestreifter Gefährte neben ihr öffnete nur kurz die Augen um aufmerksam zu schauen ob alles in Ordnung war. Als er sicher sein konnte, dass nichts Ungewöhnliches vor sich ging schloss er sie wieder und döste weiter.
Als sie aus ihrem Zimmer trat begann der bereits bekannte Ablauf und der Tag flog an ihr vorbei.
Geschichte, Französisch, Mathematik, Chemie kamen und gingen wieder. Vielleicht lag es daran dass sie die Fächer eher mochte, aber sie hatte schon öfter festgestellt, dass Zeit eine eigene Logik hatte. Manche Tage wollten nicht vorüber gehen, andere wiederum verschwanden einfach kaum dass sie begonnen hatten.
Nachdem sie wieder von der Schule zu Hause angekommen war fläzte sie sich auf ihr Bett, schnappte sich Bleistift und Block und begann zu zeichnen.
Es gab selten einen Plan oder eine Ahnung von dem was gleich auf dem Papier entstehen würde, sie zeichnete einfachdrauf los. Entweder war es ein Portrait oder ein Gebäude, je nachdem wie es ihr gerade in den Sinn kam.
Die Hausaufgaben und alles was mit Schule zu tun hatte, mussten bis Sonntag zu warten.
Zuerst kam ein Bogen. In den Bogen kam ein zweiter, etwas kleinerer Bogen. Links daneben erschien ein halber Bogen, der schraffiert wurde. Nun wurden die Figuren mit einem halbrunden Strich am unteren verbunden. So erschienen nach und nach zuerst der Kopf und dann der Körper eines Fuchses, der vor einem Mauseloch lauerte.
Der Baum dahinter war gerade am entstehen, als es an ihrer Tür klopfte.
Mit einem knappen „Ja!“ bat sie den Störenfried herein, der sich als Maxi entpuppte.
„Hast du kurz Zeit?“
Sein Gesicht war für seine Verhältnisse relativ ernst.
„Du quatschst mich doch auch sonst zu egal ob ich Lust drauf habe oder nicht.“
Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht und wurde von einem lässigen Schulterzucken betont. Er schloss die Tür hinter sich, faltete seine Hände und sagte: „Papa möchte, dass ich dir ein paar Ratschläge für heute Abend gebe.“
Es war gar nicht genügend Platz für ihre Augen, so sehr rollte sie sie. Ihr Kopf fiel nach hinten, aus ihrer Kehle entlud sich ein entnervtes Stöhnen und mit einem Ruck hatte sie sich in den Schneidersitz befördert. Mit einer majestätischen Handbewegung gab sie ihm zu verstehen, dass er sich neben ihr auf das Bett setzen durfte.
„Kennst du noch Robin?“
„Deine Ex? Wie könnte ich diese nette Person je vergessen.“
Sie hatten damals Anlaufschwierigkeiten und auch der Rest der Strecke war mehr als holprig.
„Die hat Karate gemacht und Aikido. Und sie war nicht schlecht. Mit Beinstellen, Bauchboxen und Schwitzkasten habe ich sie jedes Mal klein gekriegt.“
„Du hast deine Freundin also geboxt und in den Schwitzkasten genommen. Läuft worauf hinaus?“
Aus seiner Jeanstasche nestelte er ein längliches schwarzes Etwas heraus. Er drückte auf den Rücken und eine dünne spitze Klinge schnellte heraus.
„Das ist dein Schnappermesser“, stellte sie trocken fest.
„Mit dem du nie heimlich gespielt hast. Hier, stechen und drehen. Nur für den Fall.“
Es war ein Geschenk gewesen. Von wem er es genau bekommen hatte wusste sie nicht mehr, aber er war unglaublich stolz darauf gewesen. Ihre Eltern hatten es ihm gelassen unter der Androhung es ihm abzuziehen und erst zu seinem zwanzigsten wieder zu geben sollte er auf irgendwelche dummen Ideen kommen.
„Wisst ihr eigentlich was für eine Paranoia man bekommen kann wenn man andauernd damit zugetextet wird wie gefährlich es ist aus dem Haus zu gehen?“
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