Mittwoch, 30. Juni 2010

Was Ihr wollt

-Kunde: Ich möchte wissen, wie es mit meiner Beziehung weitergeht. - Wahrsager: Okay also ich sehe hier Streit. - Kunde: Ja* genau, wir haben uns in letzter Zeit gestritten. - Wahrsager: Ah, ich sehe es geht um Geld. - Kunde: Hmhh...** - Wahrsager: Und Untreue ist bei euch auch ein Thema... - (lange pause)* - Wahrsager: denn du bist fremdgegangen! - Kunde: Woher* wissen Sie das?


Mit einem Stern sind die Treffer gekennzeichnet, mit zwei Sternen die Fehler. Innerhalb eines solchen Textes kann man für den Wahrsager wichtige Informationen wie Gestik, Mimik, Tonfall, Körper-
sprache schlecht unterbringen, diese fehlen natürlich in dem Beispiel. Durch den ersten Satz gibt der Kunde schon die erste Information, denn in einer sauber funktionierenden Beziehung macht man sich keine Gedanken darüber, wie es weitergeht. Insofern ist der erste Treffer schon trivial. Der Wahrsager beginnt nun nach Informationen zu angeln, er fängt an mit dem Geld, durch das unsichere „Hmmmh“ signalisiert der Kunde, daß er erst darüber nachdenken muß, das also nicht wirklich hören wollte; offensichtlich ein Fehler, und der Wahrsager geht schnell zum nächsten Thema über. Beim Stichwort „Untreue“ scheint sich der Kunde ertappt zu fühlen (Wäre er nicht fremdgegangen, hätte er diese Aussage zwangsläufig auf seinen Partner beziehen und sich empören müssen), und der Wahrsager schnappt sich den Fisch. Der Kunde hat den Eindruck, als hätte der Wahrsager eine sehr präzise Aussage treffen können („Du bist fremdgegangen“ ist ja nichts allegemeingültiges, wie „ Du bist ein positiver Mensch“), ohne irgendwelche Informationen zu haben.
Der Wahrsager betreibt bei dem Kunden cold reading und nutzt dabei den soge nannten Barnum- oder Forer- Effekt aus.

 1949 publizierte B. R. Forer einen Artikel , der ein Experi- ment mit 39 Psychologiestudenten beschreibt die einen Persönlichkeitstest unterworfen wurden, Eine Woche später bekamen die Studenten allen die gleiche Persönlichkeitsbeschreibung, aber Ihnen wurde erklärt, daß diese Beschreibungen ihre persönliche Resultate des Testes waren. Die Versuchspersonen wurden dann gebeten, die Genauigkeit ihrer „individuellen“ Persönlichkeitsbeschreibung auf einer
Skala von 0 bis 5 zu beurteilen. Es gab nur 5 der 39 Beurteilungen unter 4, und kein einziges unter 2. Die durchschnittliche Bewertung war 4.3.
Die Persönlichkeitsbeschreibung, die Forer austeilte war einem Astrologiebuch aus einer Zeitungsbude entnommen:

„Sie wünschen sich, dass andere Leute Sie mögen und bewundern, und dennoch tendieren Sie zu einer kritischen Meinung gegenüber sich selbst. Sie haben zwar ein paar persönliche Schwächen, können diese aber im Allgemeinen ausgleichen. Nach außen hin wirken Sie diszipliniert und selbstbewusst, jedoch sind Sie innerlich beunruhigt und unsicher. Manchmal machen Sie sich ernsthafte Gedanken darüber, ob Sie die richtige Entscheidung oder das Richtige getan haben. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung und Sie fühlen sich unbefriedigt, wenn Sie von Einschränkungen und Limitierungen gehemmt werden. Sie sind auch stolz darauf, ein unabhängiger Denker zu sein, und dass Sie nicht einfach so andere Aussagen akzeptieren, ohne diese mit stichhaltigen Beweisen zu sichern. Allerdings haben Sie herausgefunden, dass es nicht sehr klug ist, sich gegenüber anderen zu sehr zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und sozial, allerdings sind Sie wiederum manchmal auch
introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Einige Ihrer Sehnsüchte tendieren dazu, eher einer unrealistischen Natur anzugehören.“

Es ist der gleiche Text, der leicht abgewandelt, bei demHoroskop vorne auf der ersten Seite verwendet wurde.
Seit 1949 wurde dieses Experiment manchmal mit leichten Äderungen wiederholt, aber die Ergebnisse
sind immer ähnlich. Sie zeigen klar und deutlich dass wir dazu neigen vage und allgemeine Persönlich-keitsbeschreibungen als einzigartig zu betrachten, ohne einzusehen, daß die gleiche Beschreibung eigentlich für jeden gelten könnte. Das ist der Forer Effekt. Der Name Barnum Effekt wurde von Paul Meehl eingeführt und ist nach dem Zirkusgründer Phineas Taylor Barnum benannt. P. T. Barnum unterhielt ein riesiges Kuriositätenkabinett, welches jedem Geschmack etwas bieten konnte. Aus diesem Grund ist die Benennung als „Barnum-Effekt“ einleuchtend. Noch ein anderer Name, der verwendet wird, um das gleiche Phänomen zu bezeichnen, ist subjektive Bewertung.

Was muss ein Autor eines Horoskops oder einer Persönlichkeitsanalyse nun schreiben, damit dieser möglichst gut auf einen individuellen Menschen zutrifft?

Es sind Elemente wie: Jeder Mensch sehnt sich nach einer sicheren Umwelt. Deshalb darf die Erwähnung von Ängsten nicht fehlen. Wünsche wie eine sichere Arbeitsstelle oder ein gutes Beziehungsleben. Sowohl-als-auch-Aussagen wie etwa „Sie sind meistens entschlossen, doch Sie ringen immer wieder um angepasstes Ver-
halten“.
Unklare Formulierungen wie „Sie neigen zur Faulheit“ (anstelle „Sie sind heute faul“, was entweder stimmt
oder überhaupt nicht stimmt).
Suggerierte Dinge: „Heute könnten Sie jemanden verletzen“, was eine Verletzung suggeriert; der Leser sucht – und findet manchmal eine entsprechende Handlung. Dem Leser wird aber nicht gesagt, er solle nach Hinweisen suchen, die das Gegenteil demonstrieren würden!
Gemeinsam an allen Barnum-Aussagen ist, dass es immer an Objektivität und an Falsifizierbarkeit mangelt.

Hoffnung, Wunschdenken, Eitelkeit und die Tendenz zu versuchen, Sinn aus Erfahrung zu machen sind die am häufigsten verwendeten Erklärungen für das Barnum Effekt.
Der Barnum Effekt scheint teilweise zu erklären warum so viele, eben hochintelligente Personen, an Astrologie, Handliniendeutung, Kartenlegen, Handschriftdeutung, Numerologie, Wahrsagung, Spiritismus, usw. glauben, Strengwissenschaftliche Studien dieser Pseudowissenschaften zeigen aber alle dass es sicher keine gültigen Werkzeuge für Persönlichkeitsbeschreibung sind. Dennoch haben alle viele Kunden, die davon über zeugt sind, daß sie genau und zuverlässig sind. Kunden ignorieren häufig zweideutige oder falsche Aussagen. In vielen Fällen liefern die Kun- den, durch ihre eigenen Wörter, Gesichtsausdrücke oder Körpersprache, den größten Teil der Informationen, die ihnen dann von Pseudowissenschaftlern dank einer geschickten Anwendung von kalten Lesetechniken aufgetischt werden.






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